Von gelingendem Feedback
– von Sebastian Trommer
Jetzt, da ich diesen Artikel schreibe, frage ich mich, warum ich mich gerade für dieses Thema gemeldet habe. Bin ich doch aus meiner Sicht häufig zu vorsichtig und sparsam mit nötiger Kritik. Vor kurzem sagte jemand zu mir: »Wenn du als einfühlsamer Mensch anderen nicht deine Sicht der Dinge rückmeldest, werden es früher oder später andere unsensiblere Zeitgenossen tun und das wird dann sehr in die Hose gehen.«
An dieser Aussage wird schon etwas ersichtlich: In Sachen Kritik äußern, Feedback geben, fallen wir häufig auf einer Seite vom Pferd: Kritik aus übertriebener Rücksicht bzw. aus Angst, die Beziehung zu gefährden, gar nicht zu äußern oder aber die Gefahr, meinem Gegenüber einen ordentlichen Schlag mit dem Zaunpfahl zu versetzen, anstatt nur einen Wink mit selbigem zu geben.
Mein Eindruck: Wir leben in einer Zeit, in der es fast nur diese beiden Extreme gibt. Einerseits sind wir eine sehr sensible Generation. Die falsche Wortwahl wird in manchen Kreisen sofort als Diskriminierung ausgelegt. Jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt. Andererseits leben wir in einer sehr rauen Generation. Eine derbe Wortwahl vor allem in eher nicht sozialen Netzwerken oder bestimmten Foren gehört offenbar zum guten Ton. Jeder nimmt sich das Recht raus, jedem die Meinung zu geigen. In den Kommentarspalten von Youtube, Instagram etc. kann man lernen, wie es nicht geht, sozusagen ein Seminar in gewaltvoller Kommunikation belegen und das völlig kostenlos.
Den anderen im Blick haben
Dabei sind beide Herangehensweisen Entartungen von Gnade und Wahrheit. Diese beiden Eigenschaften göttlichen Ursprungs sind dabei zwei Seiten einer einzigen Medaille, die Liebe heißt. Es ist die Grundhaltung, die konsequent den anderen und sein Wohlergehen in den Blick nimmt und sich fragt, was ihm helfen könnte. Es ist dabei ebenso lieblos, dem anderen meine hilfreiche Kritik vorzuenthalten, als sie ihm um die Ohren zu hauen.
In der Person Jesu Christi und seiner Liebe zu den Menschen verbinden sich Gnade und Wahrheit.
Dies zeigt sich besonders an der Geschichte der beim Ehebruch erwischten Frau, die von den Pharisäern vor Jesus gebracht wird, um ihm eine Falle zu stellen. (Die ganze Geschichte zum Nachlesen in Johannes 8,1 11.) Womöglich hoffen diese darauf, dass er eine der Entartungen von Gnade und Wahrheit wählt. In beiden Fällen hätten die Pharisäer einen weiteren Vorwand, die Menge gegen ihn aufzuhetzen. Jesus geht es aber nicht um die Ränkeschmiede der Pharisäer, sondern schlicht um die Frau.
Es ist interessant zu sehen, wie Jesus das Paradebeispiel eines guten Feedback Gesprächs gibt – ganz im Gegensatz zu den Pharisäern. Sie stellen die Frau bewusst in die Mitte des Geschehens, Jesus dagegen wendet sich ihr schließlich (Verse 3;9) unter vier Augen zu. Eine Wortgruppe, die man dabei überlesen könnte: »Er bückte sich.« (Vers 6) Seine innere Haltung, nicht richtend über der Frau zu stehen, äußert sich in der Körperhaltung. Er setzt sich nicht nur sprichwörtlich zu der Frau in den Schmutz. Vielleicht macht er sich sogar kleiner als sie, während sie stehen bleibt (siehe Vers 9).
Auf die Haltung kommt es an
In Gesprächen sagt daher auch die Körperhaltung viel über unsere innere Haltung aus. Gerade in Feedback Gesprächen gilt: Haltung vor Methode. Zu dieser Haltung gehört auch die vorangehende Selbstprüfung: Komme ich als Richter, als Besserwisser in die Situation meines Gegenübers oder nehme ich eine offene und lernende Haltung ein, die Augenhöhe ausdrückt?
So dreht auch Jesus den Spieß um. Bevor er sich der Frau zuwendet, fordert er die Umstehenden auf, sich selbst und ihr Mindset zu überprüfen. »Wer von euch ohne Sünde ist, der soll den ersten Stein auf sie werfen.« (Johannes 8,7 – nach »Neue Genfer Übersetzung«)
Die Folgerung ist nicht, das Feedbackgespräch aus zulassen, weil ich schließlich selbst unvollkommen bin, sondern mir dieser Unvollkommenheit stets bewusst zu sein und daher auf Augenhöhe zu kommunizieren. Wie jemand, der tatsächlich den anderen unterstützen will. Zu dieser Haltung gehört auch, dass ich meinem Gegenüber die Chance gebe, selbst Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen und eine echte Wahlmöglichkeit öffne.
Feedback hat nichts mit einer Besitzergreifung des anderen und seiner Handlungsalternativen zu tun.
Dies wird automatisch zu Rebellion führen und das ungewünschte Verhalten erst recht verstärken. Selbst positive Rückmeldungen, unpassend ausgedrückt, können destruktiv wirken: »Dein Gitarre-Spielen ist viel besser geworden.« – »Aha, also war es vorher viel schlechter?!«
Nachdem in der Geschichte von Jesus und der Ehebrecherin wegen der Selbstprüfung niemand den ersten Stein werfen konnte, wirft auch der einzig rechtmäßige Richter den Stein nicht und sagt stattdessen: »Ich verurteile dich auch nicht; du darfst gehen. Sündige von jetzt an nicht mehr!« (Johannes 8,11)
Hierin ist die Essenz von jedem guten Feedbackgespräch enthalten. »Ich stehe nicht beurteilend über dir, weise aber aus Liebe zu dir auf diesen Punkt hin, der dir und anderen schadet. Lass es lieber sein!« Was auffällt ist die Reihenfolge. Zuerst die entsprechende Körperhaltung und die nicht verurteilende liebevolle und bedingungslose Annahme, der Aufbau einer Vertrauensbeziehung, in der sich die Frau sicher fühlt und dann die ebenfalls liebevolle und ebenso klare Korrektur, die nicht in ein Geschenkpapier der schnulzigen Worte ein gewickelt wird. So geht Feedback.
Die Kunst des Feedbacks
Bevor wir zu den Methoden des guten Feedbacks kommen, noch ein paar Fragen an dich und mich zur Selbstklärung. Denn wie wir Feedback äußern oder mit ihm umgehen, hat sehr mit uns, unserem Charakter und unserer Biographie zu tun. Häufig fehlt es an Selbststand und starker Identität, einer liebevollen Selbstannahme. Das zunächst unbewertet zu beobachten, kann helfen:
- Warum fällt es mir teilweise so schwer, ein ausgewogenes Feedback zu äußern? Oder aber: Warum kann ich schwer mit Feedback umgehen?
- Habe ich damit meine Herausforderungen, weil ich Angst habe, Menschen zu enttäuschen oder zu kurz zu kommen, nicht gesehen zu werden? Woher kommt diese Angst?
Es gibt viele Methoden, Kritik auf gute Art zu äußern, am bekanntesten wohl die Sandwich-Technik, bei der Korrektur immer umgeben von ermutigenden und wohlwollenden Äußerungen ist. Das Modell erscheint mir in der Praxis aber recht eckig und kann schnell unaufrichtig wirken, wenn die Ermutigung nur dazu dient, endlich den Punkt für die Korrektur zu finden.
Feedback auf gute Weise weiterzugeben, ist eine Kunst, die gelernt und damit geübt werden will.
Die richtige Mischung aus Einfühlsamkeit und Klarheit zu bekommen – wie geht das? Anfangen! Nach der beschriebenen eingehenden Selbstprüfung schaue ich mir die Situation an: Welche Beziehungsebene haben wir und inwieweit habe ich überhaupt das Recht, etwas zu sagen? Eine Freundschaft kann schon aufhören, bevor sie angefangen hat, wenn die erste Aktion ein ungefragtes Feedback ist. Eine Grundlage für beidseitige Sympathie ist auf diese Weise zumindest nicht gelegt. In einem guten Vertrauensverhältnis fällt es viel leichter, auch kritische Bemerkungen zu hören und zu ertragen.
Außerdem ist zu fragen: Welchen Ort, welche Zeit und welches Medium wähle ich? Es gilt: zeitnahes Ansprechen, aber nicht übereilt und unüberlegt, gar in emotionaler Stimmung. Das Gespräch wird am besten persönlich geführt und nicht schriftlich abgehandelt. Das führt schnell zu Missverständnissen.
Zum eigentlichen Feedback:
- Beobachten: Ich schildere eine konkrete Situation oder Sache, die ich beobachtet habe und wie das auf mich gewirkt hat.
- Rückfragen, wie die Person es selbst erlebt hat. Es hilft immer, die Perspektive des anderen zu hören. Vielleicht habe ich die Situation auch ganz falsch eingeschätzt?
- Eigene Wünsche und Erwartungen klar und ohne Umschweife äußern. Ich mache einen Vorschlag wie es in Zukunft besser laufen könnte bzw. wir überlegen gemeinsam, was helfen würde. Bei den nächsten Schritten kann ich meine Unterstützung anbieten.
Wer zum Merken des Vorgehens ein Akronym braucht, kann sich das schöne Wort »BREI « einprägen. Eselsbrücken müssen bekanntlich nicht attraktiv, sondern nützlich sein.
Reibung zulassen
Uns bei team-f geht es um gute Beziehungen. Also gehört gut geäußerte Kritik sicherlich als ein wichtiger Aspekt dazu. Denn gute Ehen, starke Familien, gesunde Gemeinden und erfolgreiche Unternehmen haben diesen Fakt vermutlich verstanden: Es führt im Leben kein Weg an einem ausgewogenen Feedback vorbei, das deutlich und liebevoll zu gleich ist. Wir würden uns auch gegen seitig ein enormes Potential vorenthalten. Außerdem können wir etwas an der häufig schlechten Feedback Kultur unserer Gesellschaft ändern und einen sichtbaren Unterschied erzeugen.
Reibung kann wehtun, sie erzeugt aber auch Wärme und kann bei der Neuausrichtung helfen. Und dafür brauchen wir einander!
»Eisen wird an Eisen geschliffen. So schleift einer den Charakter des andern.« (Sprüche 27,17 nach Einheitsübersetzung 2016)
Erst der richtige Schliff verleiht einer Axt ihre Schärfe. Dadurch lässt sich Holz viel entspannter und zielgerichteter spalten. Paradoxerweise steigt mit einer stumpfen Axt die Gefahr, sich zu verletzen, weil man mehr Kraft zur Spaltung aufbringen muss und dadurch etwas schief gehen kann. Auf unser Thema übertragen: Wir alle wollen fokussiert und erfolgreich im Leben mit seinen vielfältigen Beziehungen unterwegs sein. Häufig gehen wir dabei aber Reibungsmomenten aus dem Weg, aus Angst es könnte wehtun. Dabei hilft uns ein gut aus geführtes Feedback, es richtet uns aus und macht unser Handeln effektiver, lässt unseren Charakter reifen.
Zwei Fragen zum Weiterdenken:
- Habe ich Leute, denen ich das Recht gebe, mich zu korrigieren?
- Nehme ich mir in der jeweiligen Beziehung genug Zeit und Momente zum Loben und suche ich auch in schwierigen Situationen detektivisch nach Gutem? (»Mit Liebe bewaffnet« Sonja Brocksieper)