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„Silver Sex“

Intimität im Alter

von Eberhard Mühlan

Jede langjährige Ehe durchläuft gewisse Phasen und auch die Haltung zu und das Empfinden von Erotik und Sexualität wandelt sich mit den Jahren. Die Grundzüge dieser Phasen vor Augen zu haben, hilft jungen Paaren, die gemeinsame Zukunft zu planen und älteren Paaren, ihr Eheleben auszuwerten und die verbleibende Zeit glücklich zu gestalten.

Die klassischen Ehephasen

Vom Alter und der Lebensreife gehöre ich wohl zu den kompetenten Personen, um über Phasen in einer Ehe und Sexualität im Alter zu schreiben. Claudia und ich haben unsere Goldene Hochzeit bereits gefeiert, haben alle Ehephasen genossen und zum Teil auch durchlitten und stehen jetzt glücklich mitten in der letzten Phase.

In der Fachliteratur spricht man von folgenden Phasen:

  • die junge Ehe
  • die bewährte Ehe
  • die Ehe in der Midlife-Herausforderung
  • die reife (alte) Ehe

Jede Phase hat ihre spezifischen Merkmale und Herausforderungen. Nur gut, wenn man darüber Bescheid weiß und sich auf mögliche Herausforderungen und Krisen vorbereiten kann – dann wird man von der Situation nicht einfach überrannt!

Die junge Ehe – Herausforderung: Anpassung

In der Regel sind beide berufstätig oder sie befinden sich in der Familiengründung. Das Stichwort für die große Herausforderung lautet Anpassung: in der Arbeitsteilung im Haushalt, den Partnerrollen, Freizeitgestaltung, Finanzen, den Elternrollen. Die Herausforderung Anpassung gilt auch für das sexuelle Zusammenspiel. Das stellen sich manche zu leicht vor. Statistiken bezeugen, dass viele Beziehungen im 4. Ehejahr scheitern, auch weil es in der Sexualität nicht so gut klappt.

Dagegen betonen Sexualtherapeuten, dass es einige Jahre sexueller Anpassung bedarf, bis man seinen Stil gefunden hat. Wie schade, wenn manche verfrüht aufgeben…

Das große Plus einer jungen Ehe: Die meisten jungen Beziehungen sind gekennzeichnet von überschäumender Verliebtheit und Leidenschaft, und diese beiden Faktoren sind ein guter Motor zu Versöhnung und Neuanfang.

Die bewährte Ehe – Herausforderung: Routine und Langeweile

Hier denke ich an eine Ehe so mit 10 bis 20 Jahren Dauer. Die Herausforderungen habt ihr schon gelesen: Routine, Lustlosigkeit und Langeweile.

Der Vorteil einer bewährten Ehe ist schnell erkannt: Die Arbeitsteilung hat sich eingespielt, und Kommunikations- und Konfliktlösungsmuster liegen (hoffentlich) vor. Manche Paare müssen allerdings gegen Eintönigkeit und schleichende Entfremdung kämpfen. Lebensbalance wird in dieser Phase ein wichtiges Thema: einen guten Ausgleich finden zwischen Stress und Entspannung.

Ich habe schon erwähnt, Sexualität wird zwar unterschiedlich intensiv empfunden, ist jedoch in allen Ehephasen ein wichtiges Thema. In der jungen Ehe war das Hauptthema Anpassung. In der bewährten Ehe geht es mehr um das Thema Abwechslung.

In unserer Gesellschaft kann man ein allgemeines Ideal beobachten: Einerseits wünschen wir uns Treue, Geborgenheit und tiefe Liebesgefühle, aber auch Abwechslung und wilden Sex – vielleicht so wie es am Anfang war. Aber beides gleichzeitig zu haben, widerspricht sich beinahe… Langzeitpaare spüren das Dilemma: Liebe will Sicherheit und Geborgenheit, die Lust braucht Abwechslung und Aufregung. Manche sehen keinen anderen Ausweg, als an fremden Früchten zu naschen – die Medien sind voll mit Geschichten über Affären, Seitensprüngen und pornographischen Szenen. All das ist jedoch nicht vereinbar mit diesem tiefen dauerhaften Liebesgefühl. Das ist ein Dilemma! Was tun? Manch einer muss vielleicht eine gründliche Lebensbilanz ziehen: Was will ich wirklich noch vom Leben? Was ist mir wichtiger? Beides bis zum Exzess verträgt sich nicht.

Mein Ratschlag: Akzeptiert, dass die wilde Leidenschaft etwas ruhiger werden darf, und investiert umso mehr in Freundschaft und tiefe Liebesgefühle – denn die zählen und lassen eine Beziehung stabil bleiben bis ins hohe Alter!

Damit sind wir schon bei der nächsten Ehephase.

Die Ehe in der Midlife-Herausforderung – Herausforderung: Sinnfrage und hormonelle Veränderungen

Jetzt denke ich an ein Alter so um die 55 bis 60 Jahre. Wer immer noch mit dem ersten Partner verheiratet ist, hat es wirklich weit gebracht – packen wir die letzten Jahre doch auch noch zuversichtlich an! Wer gescheitert ist und in einer neuen Beziehung lebt, steht vor der Herausforderung, Verletzungen und Versäumnisse aufzuarbeiten, um die gleichen Fehler nicht zu wiederholen. Aber beide spüren die Herausforderungen der Alterseinschränkungen, der Sinnfragen und der hormonellen Veränderungen.

Schon als junger Mann hat mich ein Ausspruch von James Dobson, einem amerikanischen Familienberater, beeindruckt: „Die Midlife-Krise ist so etwas wie das Jüngste Gericht für ein Leben mit falschen Werten, nutzlosen Zielen und widergöttlichen Einstellungen.“ Dem konnte ich sofort zustimmen. Wenn man noch mit Ende 50 nicht richtig weiß, wofür man eigentlich lebt und sich sinnlosen, verkehrten Dingen hingibt, ist man wirklich arm dran.

Dennoch bringt die Midlife-Zeit Herausforderungen, auf die man sich einstellen sollte. Auch was Sexualität betrifft. Auf eine Frau kommen jetzt die Wechseljahre zu: Der monatliche Zyklus lässt nach und fällt schließlich ganz aus. Das führt zu Hormonungleichgewichten, die nicht nur den Körper, sondern auch das Gehirn kräftig durcheinander bringen – die sexuelle Empfindungsfähigkeit kann abnehmen und das Lustzentrum im Gehirn nicht mehr so stark stimuliert werden. Es gibt aber auch Frauen, die blühen regelrecht auf, weil Verhütung kein Thema mehr ist.

Beim Mann sinkt der Testosteronspiegel spürbar, das heißt, Hormone, die die Sexualität bisher angefeuert haben, nehmen ab. Das erschrickt manchen Mann und er ist versucht, durch pornographische Fantasien oder außereheliche Beziehungen nachzuhelfen, wie auch eine Frau in den Wechseljahren versucht sein kann, Erfüllung außerhalb der Ehe zu suchen.

Ganz gewiss kann und wird es noch erfüllenden Sex geben, halt nur für die meisten nicht mehr so feurig und so häufig wie vielleicht früher. Für manch einen wird die Qualität des Liebeslebens mehr an Bedeutung gewinnen als die Häufigkeit. Das ist eine Realität, der man sich altersbedingt stellen muss, besonders diejenigen, die recht „feurig“ sind (waren) und nun mit einem Partner oder mit einer Partnerin zusammenleben, der/die durch die hormonellen Umstellungen „ruhiger“ geworden ist. Da hilft vor allem, offen miteinander über die Befindlichkeiten zu reden, aufeinander einzugehen und Rücksicht zu nehmen. Deswegen muss man auf noch mehr Zärtlichkeit, Vertrautheit, Gemeinsamkeiten und Freundschaft achten. Geratet nicht in die Falle, euch voreinander zurückzuziehen und nur noch euren eigenen Kram zu machen.

Die reife Ehe – Herausforderung: Loslassen und Zusammenhalten

Für viele fällt diese letzte Phase in die Zeit des Ruhestands. Vor allem Männer, aber auch berufstätige Frauen, erleben durch die Pensionierung einen Verlust an Status und Autorität. Sie fühlen sich nutzlos oder überflüssig. Den üblichen Tagesablauf gibt es nicht mehr und die seit langem praktizierte Arbeitsteilung in der Ehe wird in Frage gestellt. Wie füllt man jetzt die freie Zeit – und dann auch noch gemeinsam?

Auch darauf sollte man sich rechtzeitig vorbereiten. Mein Rat: Gerade in der Zeit der Midlife-Herausforderungen, so mit Mitte bis Ende 50, solltet ihr euch intensiv Gedanken machen, was ihr jenseits der 65 erreichen wollt und möglichst Gott fragen, welche Pläne er für die letzte Lebensphase für euch hat.

Arm kann der dran sein, der routiniert, ohne viel nachzudenken, einfach in den Ruhestand stolpert. Manch einer wird mit seiner Unausgeglichenheit sich und seinem Partner bzw. seiner Partnerin das Leben unnötig schwer machen. Familie kann wunderschön sein. Wohl dem, der im Alter in Familienbeziehungen eingebettet ist und als liebevolle Großeltern eine Hilfe sein kann. Aber es darf nicht nur bei Familie bleiben, das kann den Kindern zur Last werden. Achtet auf gute freundschaftliche Beziehungen und Unternehmungen.

Es bleibt nicht aus, dass man es mehr und mehr mit den Altersthemen und -sorgen zu tun hat: Gebrechlichkeit, Krankheiten, Todesfälle und Trauer. Was habe ich es gehasst, mir als Jugendlicher die endlosen Geschichten der Alten in der Runde anzuhören. Da will ich als Alter nicht mitmachen. Welche Themen beherrschen eure alltägliche Kommunikation hauptsächlich? Ich möchte Zuversicht und Interessen an anderen bewahren und mit Dankbarkeit auf mein Leben zurückschauen. Claudia und ich erzählen uns viel von früher: von unseren Urlauben, den Unternehmungen mit unseren Kindern und auch unseren erotischen Abenteuern…

Und was ist mit der Intimität im hohen Alter?

Da gibt es kein einheitliches Bild. Manche können sich Vitalität und Gesundheit bis ins hohe Alter erhalten und sich an ihrer sexuellen Kraft erfreuen. Andere spüren ihre Leistungseinbrüche oder leiden unter Krankheiten. Nach Herzerkrankungen oder Schlaganfällen können oft keine Höchstleistungen im Bett mehr vollbracht werden. Auch Diabetes kann die Lust dauerhaft verringern und auch Nebenwirkungen von Medikamenten. Zu einer innigen Intimität gehört jedoch weit mehr als der reine Geschlechtsakt, und eins ist immer möglich: körperliche Nähe, das Gefühl von Verbundenheit und Zärtlichkeit.

Jetzt heißt es, die „emotionale Intimität“ mehr zu pflegen: nichtsexuelle Zärtlichkeiten, viel miteinander sprechen, gemeinsame Hobbys und Unternehmungen. Schlichtweg, die bereits bestehende, lebenslange Freundschaft zu pflegen oder neu zu wecken.

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