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Weniger Kinder braucht das Land?

Dem Klima zuliebe?

– von Sebastian Trommer

Antinatalistinnen (natalis (lat.): zur Geburt gehörig) werden sie genannt. Frauen, die sich v. a. aus Klimaschutzgründen gegen eigene Kinder entscheiden. Dies, so ihre Argumentation, sei der größte Beitrag zum Umweltschutz, den sie leisten können. Warum neue Kinder in die Welt setzen, die Leid verursachen und selbst leiden müssen, es schlechter haben als man selbst?

Eine regelrechte »Birthstrike«-Bewegung scheint sich in Gang zu setzen – dem Klima zuliebe. Die Motive, keine eigenen Kinder haben zu wollen, kann letztlich nur jeder Einzelne für sich und vor sich selbst verantworten. Und mir geht es ausdrücklich nicht darum, die Entscheidung von einzelnen zu kritisieren oder gar einen Zwang zum Kinderkriegen zu postulieren. Problematisch wird es aber dann, wenn hier eine allgemeine Handlungsrichtung vorgegeben wird und sich eine gewissermaßen kinder- und damit lebensfeindliche Kultur ausbildet, in der das Kinderkriegen der Rechtfertigung bedarf.

Ich möchte also kurz darlegen, warum ich es für sinnvoll halte, weiterhin Kinder zu bekommen und warum mich die Argumentation der Streikenden nicht überzeugt und ich sie sogar für gefährlich halte.

Lohnt es sich noch, Kinder zu bekommen?
Nein! Weil es sich nie lohnt. Menschen können nicht mit anderen Dingen oder Werten aufgewogen werden und ein Preisschild bekommen. Das passiert hier aber. Nur, dass der Preis in CO2 beziffert wird. Alle Dinge in der Welt haben einen Wert, der in Relation zu anderen Dingen besteht. Der Mensch aber hat Würde, unbedingte Bedeutung. Diese hängt nicht von seiner moralischen oder klimaschutztechnischen Leistung oder sonstigen Konditionen ab, sondern ist unverrückbar gültig. Das ist die Basis unseres Zusammenlebens – zum Glück!

Artikel 1, Absatz 1 unseres Grundgesetzes spricht von der Unantastbarkeit der menschlichen Würde. Dieses Grundgesetz ist nicht zuletzt in Abgrenzung zu den menschenfeindlichen Taten des NS-Regimes entstanden. Gerade weil hier anhand von äußeren Merkmalen zwischen einem wertvollen und einem unwerten Leben unterschieden wurde. Wir haben es zu jeder Zeit nötig, diese uns Menschen ureigenste Würde zu betonen, weil jede Tendenz, die die Menschenwürde an Bedingungen knüpft, Leben gefährdet. Letztlich basiert das Sprechen von der Würde des Menschen auf Grundannahmen des christlichen Glaubens (1. Mose 2,24):

Der Mensch ist Geschöpf Gottes, gar als sein Abbild geschaffen und bekommt damit eine besondere Stellung unter der gesamten Schöpfung.

Gefährlich ist jedoch, wie in radikalen Umweltbewegungen ganz selbstverständlich der Mensch der gesamten Natur untergeordnet wird, obwohl er doch zu ihr gehört. Noch bis vor kurzem wollte man die Umwelt schützen, damit unsere Kinder und Enkelkinder eine bessere Welt vorfinden. Jetzt aber scheint es darum zu gehen, gar keine Kinder und Enkelkinder mehr zuzulassen, weil sie diese Welt zerstören würden. Der Pessimismus triumphiert. Was in beiden Strategien aber ähnlich ist: Der Mensch erklärt sich zum wegweisenden Subjekt, welches anderen Menschen das Lebensrecht ermöglicht oder verweigert.

Umweltschützerinnen und -schützer, selbst Menschen mit hilfreichen und weniger hilfreichen Verhaltensweisen, stellen die Frage, ob die nächste Generation nicht zu schädlich für diese Erde wäre und wirklich existieren soll – ob sie in diese Zeit passt. Wer aber gibt denn ihnen selbst das Existenzrecht? Sie vergessen, dass auch ihnen Würde von jemand anderem verliehen wurde, jemand sein bedingungsloses »Ja« gegeben hat, Eltern sie zur Welt gebracht haben, obwohl es sich nicht lohnt und der Zeitpunkt möglicherweise unpassend war.

Eine weitere Gefahr besteht, wenn die Frage nach dem nützlichen Leben nach ökologischen oder sonstigen Kriterien auch die schon Lebenden erfasst. »Schade ich der Welt mehr, als dass ich ihr nütze?« Wer von uns könnte da schon bestehen? Solche Fragen führen zu einem gefährlichen Rechtfertigungsdruck, dem Leben zum Opfer fallen können. Stattdessen haben wir für die lebensfreundliche Liebe einzustehen, die in Gott als Schöpfer ihren großzügigen Anfang nahm, der nicht bewertet, sondern aus Liebe gibt. Sogar seinen eigenen Sohn (Johannes 3,16, Elb.):

Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.

Leben ist immer Geschenk …
… und darf keiner Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen werden. Es ist gerade deswegen ein Geschenk, weil wir es uns nicht verdient haben und es auch nicht nachträglich verdienen können.

Zu dieser besonderen Stellung, die der Mensch von Gott bekommen hat, ist ihm aber auch der Auftrag gegeben, die Erde mit Leben zu füllen, über das Geschaffene zu herrschen, die Erde zu bebauen und zu bewahren (1.Mose 1,28; 2,15). Umweltschützer sind sich der besonderen Aufgabe und Verantwortung des Bewahrens bewusst. Aber wie sollen wir das schaffen?

Wir benötigen einen gesunden Maßstab und göttliche Hilfe. Dazu gehört, dass wir Menschen unseren »wahren« Herrschaftsauftrag kennenlernen, der Bebauen und Bewahren, Aktion und Schutz gleichermaßen einschließt. Weil dieser Auftrag ein von Gott gegebener ist, ist er damit auch ein von seiner Art zu herrschen abgeleiteter. Unterdrückende Ausnutzung gehört jedenfalls nicht zu seinem Wesen. Das Wort »herrschen« mag uns nicht gefallen, aber wenn wir anschauen, wie Gott herrscht, verstehen wir vielleicht, was damit gemeint ist.

Alles, was er rund um die Schöpfungsgeschichte tut und sagt, zeigt ihn so: Er ist ein kreativ schaffender, großzügig schenkender und das Leben liebender Gott, der sich an der gesamten Schöpfung freut. Das ist demnach nun auch unser Auftrag. Wenn wir herrschen sollen, dann genau so. Lange Zeit haben wir Menschen wohl zu viel und zu destruktiv Einfluss auf unsere Umwelt genommen. Jetzt meinen wir, es wäre besser, wir würden gar keinen Einfluss mehr nehmen, nur nichts mehr anfassen, weil es ja schließlich kaputt gehen könnte. Vor der uns gegebenen Verantwortung können wir nicht fliehen, indem wir uns möglichst unauffällig verhalten und keine weiteren Nachkommen in diese Welt setzen. Vielmehr braucht es aber kreative Überlegungen und Tatkraft, was wir aktiv zu der Bewahrung der Schöpfung beitragen können.

Was würde passieren, wenn wir Menschen tatsächlich nicht mehr auf der Erde leben würden?
Möglicherweise würde sich die Natur wieder erholen. Aber zum Preis, dass niemand da ist, der sich an ihr erfreut und ihre wahre Bedeutung erkennt! Denn wer sollte denn nun über die Schönheit der Schöpfung staunen, über Wasserfälle, einen kräftig roten Sonnenuntergang, eine seltsam anmutende Maulwurfsgrille, den majestätischen Vogelzug der Kraniche oder ein Gebirgspanorama? Nur wir Menschen können all das bestaunen. Es scheint, als sei die Erde für uns zur Freude geschaffen und wir für sie, um ihre Schönheit zu loben, die auf ihren Schöpfer verweist. Das aus meiner Sicht größte Naturspektakel ist die Geburt eines neuen Erdenbürgers. Ich selbst durfte das vier Mal erleben. An einer Geburt erkennt man:

Ja, das Leben ist schmerzhaft, es hat mit Leid zu tun, es ist aber auch unglaublich schön und schützenswert.

Zu leben ist ein Geschenk und Leben zu schenken, ihm einen Raum zu geben, ist ein wunderbares Privileg – kein Zwang, aber definitiv auch keine Sünde. Dass ein neuer Mensch entsteht und geboren wird ist per se schon ein Wunder, welches die Allmacht Gottes offenbart. Das Erstaunliche daran ist aber, dass Gott uns an seinem Schöpfungshandeln beteiligt. Lassen wir uns auf dieses Geheimnis ein, dann ist es ein göttlicher Hoffnungsschimmer, auch in schwierigen Zeiten.

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