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Berge oder Meer?  

Ein Survival-Guide für einen schönen Urlaub

von Ute Wagner

Die Vorfreude auf den Urlaub beginnt meist lange, bevor die Koffer gepackt werden. Oft ist diese Zeit besonders aufregend, da sie die Möglichkeit bietet, gemeinsam zu träumen und Pläne zu schmieden. Es ist ein Moment, in dem die alltäglichen Sorgen beiseitegeschoben werden und stattdessen die Aussicht auf gemeinsame Abenteuer und Erholung in den Vordergrund tritt.

Wenn die Landkarten ausgebreitet auf dem Tisch liegen und im Internet nach dem Traumziel gesucht wird, entsteht ein Raum voller Möglichkeiten. Die Vorfreude wächst mit jedem Gespräch über die Orte, die man besuchen möchte, und mit jedem Bild, das die Schönheit des Ziels einfängt. Diese Zeit der Planung ist auch eine Zeit der Verbindung. Sie erlaubt es dem Paar, seine Hoffnungen und Wünsche für den Urlaub zu teilen und ein tieferes Verständnis füreinander zu entwickeln. Oder eben auch nicht! Klar ist die Vorfreude auf den Urlaub da, aber was tun, wenn man nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommt, wohin die Reise gehen soll?

Verschiedene Prägungen

Ich habe als Kind mit meiner Familie den Sommerurlaub fast jedes Jahr auf der Nordseeinsel Amrum verbracht. Das ist heute noch ein Ort, wo es mich immer wieder hinzieht – das Meer, der Sandstrand, die Dünen, die beschaulichen kleinen Orte… Mein Mann ist dagegen mit seiner Familie weniger in den Urlaub gefahren und wenn, dann waren es meistens Wanderurlaube im Tessin. Auch wenn er es als Teenie nicht so cool fand, ist er heute jemand, der gerne den Urlaub in den Bergen verbringt und diese werden am liebsten zu Fuß erkundet.

Mein Mann und ich hatten also ganz andere Vorstellung, wie unser Traumurlaub aussehen sollte. Er wollte in die Berge zum Wandern, ich wollte das Meer genießen. Dadurch kam es immer wieder zu Diskussionen, jeder versuchte, den anderen von seiner Vorstellung zu überzeugen. Bei uns hat das Jahre gedauert, bis wir für uns beide eine schöne Art des Verreisens gefunden haben.

Zu Beginn unserer Beziehung haben wir beide verschiedene und für uns neue Arten, in den Urlaub zu fahren, ausprobiert. Unseren ersten Urlaub verbrachten wir in Italien. Wir fuhren mit dem Auto nach Rimini. Wir waren beide noch in der Ausbildung, das Geld wurde mühsam zusammengespart, daher wollten wir einen günstigen Urlaub machen. Keiner von uns hatte bisher einen Urlaub im Hotel verbracht und wir wollten das unbedingt mal ausprobieren; am Meer in Italien waren wir auch noch nicht. Also buchten wir eine Woche im 3-Sterne-Hotel mit Halbpension. Wenig später wurden die Koffer gepackt, der Fiat Punto vollgeladen und wir fuhren los Richtung Süden. Nach einigen Staus kamen wir gut an. Das Hotel lag direkt am Strand, es war einfach, aber okay. Es gab leckeres Essen. Den Strand hatten wir uns allerdings anders vorgestellt. Dort standen Liegen an Liegen aufgereiht. Niemand lag auf seinem Handtuch. Nach einigem Überlegen entschieden wir uns, ebenfalls Liegen zu mieten, da man das ja offensichtlich so machte. Bei dem Preis mussten wir beide schlucken.

Da wir nun mal die Liegen für teures Geld gemietet hatten, mussten wir sie auch nutzen. Das führte dazu, dass wir die meiste Zeit am Strand abwechselnd auf unseren Liegen oder im Wasser verbrachten. Nach ein paar Tagen bekam mein Mann einen Koller vor Langerweile und ich einen, weil es mir einfach zu heiß war. Den Urlaub verbuchten wir unter „einmal und nie wieder“. Wir merkten auch, dass uns ein Hotelurlaub nicht liegt und uns der Ort insgesamt zu touristisch war.

Neue Abenteuer

Der nächste Urlaub sollte das genaue Gegenteil werden. Wir beschlossen, Interrail in Norwegen und Schweden zu machen. Wir packten unsere Rucksäcke mit Zelt, Schlafsäcken, Kleidung und was man sonst so alles braucht, und fuhren mit dem Zug nach Schweden, blieben immer ein paar Tage an einem Ort, fuhren weiter zum nächsten und waren in drei Wochen ca. 6000 km unterwegs. Es war wirklich ein Abenteuer. Wir lernten viel über das Land und die Menschen dort kennen und wurden Schweden- und Norwegen-Fans. Es war eine gute Mischung zwischen Städten und Natur. Über die Art des Reisens ließe sich streiten. Da wir große Strecken zurücklegten, verbrachten wir (zu) viele Stunden im Zug. Grundsätzlich passte diese Art des Urlaubs aber gut zu uns.

Bei der Planung der Flitterwochen prallten wieder Welten aufeinander. Mein Wunsch war es die Flitterwochen auf Hawaii zu verbringen. Ich war ein paar Jahre zuvor einige Wochen bei YWAM (Youth with a Mission) bei einem Missionseinsatz gewesen. Dort hatte es mir die Vielfalt der Landschaft angetan und mir so gut gefallen, dass ich unbedingt wieder dort hinwollte und sie meinem Liebsten zeigen wollte. Mein Mann war noch nicht außerhalb von Europa gewesen und tat sich sehr schwer, mir diesen Wunsch zu erfüllen. Nun sollte es ausgerechnet in die USA gehen. Außerdem schreckte ihn der lange Flug von 24 Stunden ab und auch das viele Geld, das der Urlaub kosten würde. Nachdem er sich ausgiebig über Hawaii informiert und einen genauen Plan erstellte hatte, welche Inseln wir wann besuchen würden, und er entdeckte hatte, dass man dort auch ausgiebig auf Vulkanen oder in Nationalparks wandern kann, war er einverstanden.

Wir verbrachten eine tolle Zeit dort. Meinem Mann zuliebe unternahmen wir einige Wanderungen, verbrachten aber auch Tage am Strand und suchten immer wieder Plätze, die nicht zu touristisch und überlaufen waren. Es war für uns ein guter Kompromiss.

Den richtigen Weg finden

Seit wir zwei Kinder haben, hat sich unsere Art, Urlaub zu machen, wieder sehr verändert. Vor allem als die Kinder noch kleiner waren, ging es meistens auf einen Bauernhof. Hier fanden wir Kompromisse, was den Ort angeht. Wir wechselten zwischen Südtirol, Nordsee und Allgäu ab. Irgendwann gingen wir mit unseren Kindern ein paar Tage zelten. Die beiden waren so begeistert, dass sie das auf jeden Fall wieder machen wollten. Es folgten Urlaube mit dem Zelt auf Amrum und im Schwarzwald. Seit letztem Jahr sind wir stolze Besitzer eines Wohnwagens. Einerseits wurde der Wunsch nach etwas mehr Komfort bei uns Eltern größer, andererseits genießen wir es, etwas unabhängiger vom Wetter zu sein. Wir empfinden es auch als Freiheit, einfach mal über das Wochenende wegzufahren.

Nach einigem Ausprobieren haben wir unsere Art zu verreisen gefunden, sie hat sich über die Jahre angepasst und wir sind uns darin ähnlicher geworden. Wir freuen uns schon auf unseren nächsten Urlaub im Sommer. Dieses Mal geht es nach Italien – aber nicht nach Rimini 😊. Mit dem Wohnwagen fahren wir zuerst an den Comer See, dann ins Piemont, zum Schluss ans Meer.

Damit der Urlaub nicht zum Beziehungsdrama wird, haben wir Tipps für euch zusammengestellt:

  • Es ist wichtig, Vorstellungen und Bedürfnisse im Vorfeld zu kommunizieren – das räumt schon mal eine Menge Konfliktpotential aus dem Weg.
  • Nach Kompromissen suchen: Oft findet sich ein Urlaubsort, der für beide passt. Manchmal ist es hilfreich, etwas ganz Neues auszuprobieren.
  • Persönliche Freiräume schaffen: Von der Idee, Händchen haltend von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang den Urlaub zu verbringen, sollten sich Paare besser verabschieden. Insbesondere dann, wenn im Vorfeld sehr unterschiedliche Vorstellungen von Erholung und Freizeitgestaltung ans Licht gekommen sind. Daher ist es ratsam kleine Auszeiten für sich allein einzuplanen
  • Mit Konflikten gelassen umgehen: Durch die ständige Nähe der Partner können Konflikte im Urlaub eine größere Eigendynamik als Zuhause entfalten. Ein Urlaub ist wenig repräsentativ und sagt nichts über die grundsätzliche Qualität einer Beziehung aus.


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