Beziehungskrisen einmal anders betrachtet
– von Silke und Stefan Wendt
Eine Ermutigung für Paare, deren Beziehung in die Jahre gekommen ist. Aber auch für andere, die an Grenzen in ihrer Partnerschaft kommen und Schwieriges erlebt haben. Ihr habt miteinander vieles in die Familie, den Beruf, die Gemeinde, die persönliche Entwicklung usw. investiert. Jetzt sehnt ihr euch nach der Ernte der Arbeit, aber sie stellt sich einfach nicht ein. Was nun?
Wir haben hierzu viele Ereignisse, an die wir zurückdenken. Manche davon sind sehr erfreulich, wie die erste gemeinsame Wohnung, die Geburt unserer Kinder, tolle Erlebnisse im Urlaub, persönliche Sternstunden, wie eine bestandene Prüfung oder auch ein besonderes Glaubenserlebnis, das uns weiterführt und stärkt. Andere Zeiten sind stressig und unangenehm. Da sind Krisen in der Partnerschaft, der Unfall eines Kindes, die Herausforderung im Beruf oder auch Konfrontationen in wichtigen Beziehungen.
In unserer über 30-jährigen Ehe sind wir an einem Punkt angelangt, der uns aufforderte, noch einmal neue Kräfte zu mobilisieren.
Wir haben die eben genannten Ereignisse und noch mehr bewältigt. Auch unser Erziehungsauftrag ist erledigt, unsere Kinder sind mit großartigen Partnern verheiratet. Unter anderem dank team-f haben wir vieles erreichen können und dabei auch Stürme in uns persönlich, in der Ehe und auch der Familie durchlebt. Scherzhaft sagt man doch, dass das Leben dann losgeht, wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Hund gestorben ist. Nun, einen Hund hatten wir leider nicht. Jetzt könnten wir das Leben und die Früchte der Arbeit doch einfach nur genießen, oder?
Zeit, die wir vorher mit den Kindern verbracht oder in die Erziehung investiert haben, steht uns wieder zur Verfügung und wir begegnen uns als Paar auf eine neue Weise.
Und: Wir haben uns dabei verändert. Wir sind in unseren Persönlichkeiten gereift und sind dabei aber auch einfach älter geworden, so dass sich ganz natürlich auch Herausforderungen aus der langsam schwindenden Kraft ergeben. Es stellen sich Beschwerden und manchmal auch Erkrankungen ein, die anhaltender sind als früher.
Aber auch etwas anderes ist passiert. Wir stellen fest, dass uns manche Lebensereignisse wieder einholen. Trotz Seelsorge und Beratung in früheren Jahren, trotz der Arbeit an unseren persönlichen Geschichten tauchen wieder Schattenseiten unseres Lebens auf, die nach Aufmerksamkeit schreien und uns in persönliche aber auch belastende Konflikte unserer Beziehung hineinführen. Es erscheint manchmal wie ein Drache, der uns mit seinem feurigen Atem und seinem Getöse einschüchtern und Angst machen möchte.
Der Drache fordert erneut zum Kampf heraus
Tatsächlich habe ich (Stefan) in Zusammenhang mit einer Paarberatung, die wir in Anspruch genommen haben, einmal solch einen Drachen in meinen Gedanken wahrgenommen. Dieses Bild hat mir damals dazu verholfen, Ereignisse meiner Geschichte, die unsere Partnerschaft belastet haben, zu bearbeiten und auf einen guten Weg zu führen. Insbesondere konfliktbeladene Situationen unserer Ehe haben sich vor mir drohend aufgebäumt. Ich habe Schutz im Rückzug gesucht und Silke mit ihren Bedürfnissen dabei aus dem Blick verloren. Natürlich ist das Bild des Drachens auf eine Weise erschreckend gewesen, aber es hat auch den Fokus intensiv und deutlich auf meine Nöte gerichtet.
Parallel dazu hat sich für mich (Silke) die Situation zu Hause durch den Auszug unserer Kinder drastisch verändert. Das Haus war leer und sehr still, und in mir war es plötzlich auch leer und still. Mein innerer Drache schaffte sich mehr und mehr Raum und konfrontierte mich mit bekannten Kommentaren: „Siehst du, jetzt braucht dich keiner mehr!“ oder »Stell dich bloß nicht so an, andere Mütter wären froh, wenn die Kinder ausziehen!«
Ich spürte, wie mein Selbstwert so allmählich in die Knie ging und sich abwechselnd Gefühle der Leere und Antriebslosigkeit oder der Gereiztheit und Unzufriedenheit einschlichen. Diese neue, belastende Lebenssituation wirkte sich leider auch negativ auf meine Beziehung zu Stefan aus.
Es kommt auch heute noch immer einmal zu Spannungen und Stress zwischen uns beiden und unser Drache schafft es doch tatsächlich, sich in unserer Ehe breitzumachen. Wieso eigentlich? Haben wir damals nicht intensiv und gründlich genug gearbeitet oder sind wir vielleicht sogar falsch beraten worden? Wenn wir genau hinschauen, hat dieser Drache aber doch eine andere Gestalt bekommen. Wir kennen ja heute bereits unsere automatischen Verhaltensweisen, unsere verletzten Gefühle und unguten Gedankenkreisel. Eigentlich fordert es uns nur heraus, dem Inneren wieder mehr Beachtung zu schenken, den eigenen Gedanken zuzuhören, die wirklichen Gefühle zu erspüren und hinter all dem immer wieder einen Zugang zu den eigenen Bedürfnissen zu bekommen.
Die fünf Phasen mit dem Drachen
In unserem persönlichen und auch Ehe- Prozess haben wir alle Phasen einer Krise durchlaufen. Angefangen mit dem Wegschauen: Diese Krise kann und darf jetzt nicht wahr sein. Ich (Stefan) tendiere neben Rückzug zum Schweigen und Verdrängen. Doch das will ich nicht, weil ich weiß, dass es mir und uns als Paar auf Dauer nicht gut tut, und dennoch passiert es mir hin und wieder. Silke schluckt auch erst einmal vieles herunter. Aber dann: In der zweiten Phase, speit der Drache Feuer durch den Ärger und Zorn über den anderen, über sich selbst und das Leben an sich. Dieser Ärger wird öffentlich ausgedrückt, zeigt sich durch Ironie oder Sarkasmus, aber auch verborgen in passiv-aggressiven Reaktionen wie z. B. der Selbstanklage.
In der dritten Phase beginnen die Verhandlungen. Wobei das Verhandeln sich nicht alleine auf den anderen bezieht, sondern zunächst einmal an sich selbst gerichtet ist. Was möchte ich eigentlich erreichen? Mit welchen inneren Haltungen begegnen wir uns in der Beziehung? Sind da unangemessene Kritik, Rechtfertigung, Verachtung oder sogar Mauern zwischen uns entstanden? Wollen wir uns weiter so begegnen oder welche Alternativen sind da? Wir wissen, dass dies dauerhaft Killer-Haltungen für eine Paarbeziehung sind und wir wissen ja eigentlich auch, dass wir das ändern wollen.
Die vierte Phase ist vielleicht die schwierigste, weil der Drache uns eingeschüchtert hat. Hier offenbart sich, dass alle bisherigen Wege und Versuche einer Lösung und Veränderung erfolglos waren. Begleitet ist diese Phase von einer depressiven Gefühlslage und entsprechenden Gedanken. Der Drache hat hier unter Umständen den größten Einfluss auf unser Erleben und die Sicht auf das, was kommen kann.
Aber Krise bedeutet auch Chance, die wir in mehrfacher Hinsicht für uns wahrgenommen haben. Die Chance war und ist es, auch mit diesem Lebensaspekt in die persönliche und gemeinsame Begegnung mit Gott hineinzugehen. Wir haben dem Drachen Beachtung geschenkt, uns mit ihm auseinandergesetzt und haben in dieser fünften Phase das, was ist, akzeptiert. Unsere Ehe ist herausfordernd und wunderschön, sie ist manchmal frustrierend und auch wieder begeisternd, nervig und erfrischend. Auch wenn es teilweise schwierig ist: Wir beten zusammen und bringen unsere Situation vor Gott in dem Vertrauen darauf, dass er uns weiterführt. Wir haben die feste Zuversicht darauf, dass Gott unser Bestes will und unser Bemühen unterstützt.
Gott fordert und fördert uns
Außerdem haben wir für uns erneut Berater gesucht, die uns dabei helfen, unsere blinden Flecken wahrzunehmen und die uns Möglichkeiten und Optionen aufzeigen, um Veränderungen persönlich und im Miteinander zu bewirken. Dadurch sind wir auf einem guten Weg miteinander und wissen uns von Gott und Menschen gut begleitet. Und der Drache? Ja, der ist da, wir beachten ihn und hinterfragen seine Angebote. Wir lernen unser Inneres gut wahrzunehmen, Verletzungen angemessen auszudrücken, selbstverantwortlich und wertschätzend mit uns selbst und unserem Partner umzugehen.
Eine Begegnung mit dem Drachen ist nötig und hilfreich. Diesen zu verleugnen oder nicht wahrhaben zu wollen ist sogar schädlich. Wir wissen und haben es einmal mehr erfahren, dass wir lebenslang lernen und in einem Prozess sind, der uns weiterführt. Stillstand bedeutet Rückschritt und im Extremfall das Ende der Partnerschaft.
Können wir nun die Ernte unseres Lebens einfahren? Ein Teil der Lebensernte ist es auch, solche Krisen zu bewältigen und dem Drachen wo nötig zu begegnen. Heute können wir sagen: »Ich bin ein Mann, der fähig und stark, ist Krisen zu durchstehen.« bzw. »Ich bin eine Frau, die Schwieriges bewältigen kann.«