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Duhu Schahatz?

Odyssee im Auftrag der Libido

Die Autorin ist der Redaktion bekannt.

Neulich abends, wir liegen schon im Bett, beginnt mein Mann das Gespräch mit den Worten »Duhu Schahatz?«

Ich mag Duhu-Schahatz-Sätze nicht. Es gibt nämlich zwei Arten von Duhu-Schahatz-Sätzen. Die erste Sorte schließt eine Frage an, bei der eigentlich klar ist, dass die Antwort »Nein« heißt. Sowas wie »Duhu Schahatz, hast du nicht Lust, uns mal ein paar Spaghetti zu kochen? Meine Eltern zu besuchen? Das Bad zu streichen? Mir die Füße zu massieren?« Sowas in dem Stil.

Die zweite Sorte ist noch schlimmer. Die beginnt in der Regel etwa so: »Duhu Schahatz, ich will ja nicht meckern, aber…« Und dann kommt sowas wie »…ist es draußen so neblig oder könnten die Fenster mal wieder geputzt werden?« Oder »…es gab jetzt schon drei Tage vegetarisch, soll ich mal ‘ne Kuh schlachten oder was muss ich für ein Steak tun?« Und natürlich will er doch meckern. Und ein Duhu-Schahatz-Satz der zweiten Sorte sollte mich an diesem Abend erwarten.

»Duhu-Schahatz?«
»Hmmmm.« Ich rede mir immer mal wieder ein, es könnte helfen, sich schlafend zu stellen, aber das klappt eigentlich nie.
»Früher, da hast du mich öfter mal verführt.«
Früher-Sätze mag ich auch nicht.
»Da ging der Sex auch mal von dir aus. Und jetzt tust du das gar nicht mehr so. Ich muss immer den Anfang machen. Warum ist das so?«

Ich bin hellwach. Und dann versuche ich, ihm zu erklären, was eigentlich nicht zu erklären ist. Dass es immer mal wieder Phasen gibt, wo man nicht so viel Lust hat. Dass wir sowas schon öfter hatten und es immer vorbei geht. Dass ich manchmal einfach meine Ruhe haben will, wenn 14 Stunden lang drei Kinder ständig etwas von mir wollen. Dass mich viele Dinge im Kopf gefangen halten und beschäftigen. Dass es nicht seine Schuld ist, usw. Halbherzige Erklärungsversuche für etwas, das ich selbst nicht richtig verstehe. Man kann ja auch wirklich schlecht sagen »Also für mich würde es momentan zweimal pro Monat durchaus reichen. Und an den anderen Abenden würde ich Chips und Bier dem Kopulieren vorziehen.« Kann man ja nicht bringen.

Er versucht, jedes meiner Argumente zu entkräften.

»Irgendwie kann ich dir manchmal nicht richtig folgen.«

Ach, das ist ja was ganz Neues.

Wir reden noch kurz, und der Mann meines Herzens fällt noch während meiner Ausführungen in einen komaähnlichen Tiefschlaf.

Ich glaube, ich kann hier als Tatsache festhalten: Wenn es etwas gibt, das Männer ermüdet, dann sind das Gespräche wie dieses. Männer können 16 Stunden am Tag Bäume fällen, Mauern ziehen und Bären bekämpfen, aber ein Gespräch wie dieses darf nicht länger als zehn Minuten dauern.

Ich liege natürlich noch ein Weilchen wach und höre seinem Schnarchen zu. Zuerst bin ich richtig sauer. Erst hier rummeckern und dann einfach einschlafen. Scheint ja sehr dringend gewesen zu sein. Und ich war heute so gut drauf. Menno. Aber irgendwann denke ich mir: Er hat ja eigentlich Recht. Das läuft wirklich nicht so gut im Moment. Und immerhin ist ja auch Frühling. Ich beschließe, mir etwas einfallen zu lassen.

Am folgenden Tag ist die Stimmung morgens noch etwas gedrückt. Als der Mann meines Herzens zur Arbeit fährt, mache ich mich auf in die City. Zunächst kaufe ich mir zwei Zeitschriften, auf deren Titelblatt etwas über Sex steht. Also nicht »solche« Zeitschriften, auch nicht die Blitz-Illu oder sowas. Nein, etwas Seriöses. Ein Wellness-Magazin für Frauen und den Spiegel.

Zuerst die leichte Kost, denke ich mir, und lese in dem Wellness-Magazin, wie man zurückfindet zu seiner Lust. Da steht, man soll seinen Mann mit einer Straußenfeder kitzeln. Aha. Habe ich gerade nicht zur Hand und stelle ich mir schwer zu beschaffen vor. Und ob eine Feder von unserem Kanarienvogel den gleichen Effekt hätte, wage ich zu bezweifeln.

Der zweite Rat besagt, man soll mal wieder »einfach nur so kuscheln, so ohne Hintergedanken«. Hallo? Seit wann können Männer das denn? Ist das hier wirklich ein Ratgeber für Frauen?

Als drittes schreibt die Autorin noch was vom »Kama Sutra«, dem Leitfaden für die Kunst der Verführung schlechthin. Ich beschließe, mich diesen Dingen jetzt zu öffnen und mir ein entsprechendes Buch zu kaufen. Schließlich will der Mann meines Herzens ja verführt werden. Auf meiner Suche im Internet (man sollte »Kama Sutra« übrigens besser nicht als Suchbegriff eingeben, ich werde jetzt noch rot, wenn ich nur daran denke) werde ich irgendwann fündig. Ein Bildband mit was weiß ich für Fotos, mit Stellungnahmen und Widmungen irgendwelcher wichtigen Personen für 150 Euro? Das bremst meinen Kaufwillen schlagartig aus.

Und schließlich steht da im Artikel noch etwas von aphrodisierenden Duftölen. Na, das klingt doch mal praktikabel. Ich lese mir genau durch, welche Essenzen ich brauche und fahre in eine gut sortierte Apotheke, in der extra eine Aromatherapeutin arbeitet. Kein Witz. Dort besorge ich mir vier Duftöle. In der Zeitschrift stand, dass die an den Duft des Mannes erinnern, wenn dieser sexuell erregt ist. Als ich den Preis sehe, beginne ich erneut zu zweifeln. Die Aromatherapeutin bemerkt mein Zögern und sagt: »Ich weiß ja nicht, wofür Sie das brauchen. Wenn da irgendwelche Schwierigkeiten bestehen, sollten Sie vielleicht anderweitig Hilfe…« »Schon gut, schon gut, ich nehme das Öl!«

Noch im Auto greife ich schamhaft in die Tüte, um meinen Neuerwerb zu testen. Vorher stelle ich sicher, dass mich niemand beobachtet. Man weiß ja nie, wie schnell sowas wirkt. Der erste Eindruck ist ernüchternd. Mich erinnert dieser Duft eher an ein Wildschweingehege oder an Elefantenexkremente. Aber wenn’s da stand, wird’s schon richtig sein.

Nur zur Sicherheit fahre ich noch in meinem Lieblings-Dessous-Geschäft vorbei, falls ich auf die konventionellen Methoden zurückgreifen muss. Die Kinder lasse ich kurz im Auto, weil die in solchen Geschäften immer so peinliche Sachen machen wie BHs anprobieren und sowas. Mein Sohn hat da mal ganz laut gesagt »Guck mal, Mama, hier hängt alles voll Unterbuchsen!«

Im Eiltempo raffe ich so einiges zusammen, was meinem Zweck dienlich sein könnte, fürs Anprobieren bleibt keine Zeit, denn ich mag es nicht, dass ich die Kinder alleine gelassen habe. Während ich zurück zum Auto renne, stelle ich mir vor, dass dort ein Feuer ausgebrochen ist und meine Kinder hilflos im Auto eingesperrt sind, während ihre Mutter sich neue Unterwäsche kauft. Oder ein aufmerksamer Bürger könnte die Kinder bemerkt und die Polizei gerufen haben, die mich dann – noch mit meiner Reizwäsche in der Hand – verhaften würde. Und am nächsten Tag würde in der Zeitung stehen »Rabenmutter vernachlässigt ihre Kinder auf der Suche nach dem sexuellen Kick« oder sowas. Bevor ich mir noch den Bericht bei RTL Explosiv vorstellen kann, erreiche ich das Auto, wo, Gott sei Dank, alles in Ordnung ist.

Alles in allem habe ich etwas mehr ausgegeben, als der Bildband gekostet hätte. Alles für die Liebe. Bei dem Gedanken an unseren Kontostand schwindet meine Euphorie, also verdränge ich ihn.

Zuhause probiere ich die scharfen Sachen an. Gott sei Dank passt fast alles. Und es sieht gut aus. Naja, bei näherer Betrachtung sieht es halt so gut aus, wie Unterwäsche in Größe 48 eben aussehen kann. Aber eine Fettabsaugung werde ich wohl bis zum Abend nicht mehr schaffen. Und außerdem wollte ich ja Selbstbewusstsein lernen. Schnell wasche ich die Sachen von Hand und hänge sie zum Trocknen auf. Großzügig verteile ich das Duftöl in unserem Ehebett und auf meiner Haut. Der Eindruck von Elefantenpipi verstärkt sich ein wenig, aber das muss sicher so sein.

Als nachmittags kurz meine Freundin vorbei schaut, ist mir, als ob sie die Nase rümpft. Sie sieht mich neugierig an und fragt: »Hast du heute geputzt?«
»Nein, ich habe mir neue Wäsche gekauft.«
»Ah, ja? Hat eins deiner Kinder Durchfall?«

Naja, kein Wunder, dass das auf sie so wirkt. Sie ist ja auch eine Frau. Außerdem stört mich ihr Besuch heute sowieso, denn gleich kommt mein Mann nach Hause, und vorher muss ich noch den Bericht im Spiegel lesen. Über Siegmund Freud. Da steht, dass heutige Sexualtherapeuten Teile seiner Behauptungen beweisen konnten und er deshalb wieder an Bedeutung gewonnen hat. Neugierig lese ich weiter. Am Ende des 12-seitigen Berichts weiß ich, dass Siegmund Freud eine Sau war und ich habe auf nichts weniger Lust als auf Sex. Schnell werfe ich den Spiegel ins Altpapier, denn da ist als Titelbild Freud mit einer Zigarre, auf der sich eine Frau räkelt – nackig. Nicht auszudenken, wenn mein Mann das findet und mich amüsiert fragt, warum ich das gekauft habe.

Ich habe noch Zeit, mich ein bisschen in Schale zu schmeißen und gedanklich etwas einzunorden, was nicht ganz einfach ist, wenn man gleichzeitig einen Streit schlichten, Windeln wechseln, Hausaufgaben kontrollieren und Abendessen machen muss. Aber schließlich warte ich gespannt auf die Heimkehr meines Mannes. Den Haushalt habe ich heute leider sträflich vernachlässigt, denn ich war ja in der Mission Lust unterwegs, und man kann schließlich nicht alles haben.

Ich bin gerade in der oberen Etage, als ich den Schlüssel höre. Noch bevor ich nach unten kommen kann, ruft mein Mann hoch: »Schatz, hast du heute hier was mit Räucherstäbchen gemacht?«
Mit Räucherstäbchen?!?
»Nein, warum?«
»Hier stinkt’s.«
Ich möchte ihn schlagen.

Als er mich küsst, sagt er einen weiteren fatalen Duhu-Schahatz-Satz. »Duhu Schahatz, ich liebe dich und ich will auch wirklich nicht meckern, aber dein Duft! Ist der neu? Der ist nicht gut!«

Jetzt möchte ich ihn wirklich verhauen!

»Was ist denn mit dir? Du sagst heute gar nix.«

Ich bin so platt, dass ich für eine ganze Weile wirklich nichts mehr sage, mir nicht sicher bin, ob ich lachen oder heulen soll. Und zu allem Überfluss wird die dämliche Wäsche nicht schnell genug trocken. Als der Mann meines Herzens schließlich Anstalten macht, sich alte Sachen anzuziehen, um im Garten zu arbeiten, beschließe ich, dass ich ihn nicht so unvorbereitet ins Schlafzimmer gehen lassen sollte. Ich erkläre ihm, dass er echt blöd ist, was ihn relativ unvorbereitet trifft, und dass er, wenn er meinen Duft schon nicht mag, besser nicht nach oben gehen sollte, weil es da genauso riecht, nur etwa zehn Mal so stark. Und dann erzähle ich ihm meine ganz Odyssee im Auftrag der Libido. Ich muss heulen und lachen gleichzeitig. Mein Mann muss nur lachen. Und wie. Kriegt sich gar nicht mehr ein, der Sack.

»Und das hast du alles getan, weil ich gesagt habe, dass ich mal wieder verführt werden möchte?«

Das findet er süß. Süß! Nicht zu fassen. Aber er ist wirklich begeistert von meinen Bemühungen, wenn auch nicht vom Ergebnis.

Abends haben wir Sex in unserem stinkenden Schlafzimmer. Die Wäsche sieht er nicht, denn es ist dunkel, den Duft habe ich inzwischen abgewaschen, Freud habe ich vergessen und den Rest des Tages verdrängt. Und es ist wunderschön, wie immer eigentlich. Das hätte ich sicher auch billiger haben können, aber jetzt bin ich immerhin um eine Erfahrung reicher.

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