Welche Kompetenzen muss man dazu einbringen?
von Eberhard Mühlan
Wer vor den Traualtar tritt, tut es in der Regel mit dem Vorsatz, dem Partner bzw. der Partnerin ein Leben lang treu zu bleiben – in guten und in schweren Tagen, so sagt es das gängige Trauversprechen. Und dennoch fragen sich viele Paare: Werden wir beide es wirklich schaffen?
Es liegt nun schon einige Jahre zurück, da hatten wir Besuch von einem älteren, weit über siebzig Jahre alten Ehepaar. Sie waren zu einem Seminar in unsere Stadt gekommen. Mich faszinierte die Agilität und Lebensfreude dieses Paares und vor allem, wie sie miteinander umgingen. Sie debattierten scharfsinnig und auch konträr miteinander, lachten viel und berührten sich auch immer wieder. Als sie das Haus verließen, standen meine Frau und ich hinter der Gardine und beobachteten schmunzelnd, wie sie Hand in Hand zu ihrem Auto gingen.
„Wenn ich das sehe, dann habe ich keine Angst vor dem Älterwerden …“ sagte ich nachdenklich zu Claudia.
Jüngere Leute orientieren sich häufig an älteren – auch mit der bangen Frage, wie wird es mit uns im Alter aussehen? Dieses Erlebnis hat uns beide angespornt, aufmerksam und achtungsvoll aufeinander zu achten und anderen im Alter ein anspornendes Vorbild zu bleiben.
Liebe als Motor
Als alter Eheveteran (die Goldene Hochzeit haben wir schon gefeiert) habe ich die Aufgabe bekommen, über Kompetenzen zu schreiben, die für eine lebenslange Beziehung notwendig sind. Mein erster Gedanke war: Aber nicht über die Kompetenzen, die man mitbringen muss, sondern die, die man erstreben sollte, in die man hineinwachsen möchte! Damit möchte ich Mut machen, gerade denen, die sich immer wieder in Selbstzweifel verstricken und unter ihren Macken leiden. Was waren Claudia und ich unreif und auch in unseren Persönlichkeiten unfertig, als wir recht jung geheiratet haben. Aber der Mensch ist ein Leben lang lern- und veränderungsfähig! Er muss es nur wollen. So wie es der Apostel Paulus es im Zusammenhang der Jesusnachfolge formuliert hat:
„Es ist also nicht etwa so, dass ich das ‚alles‘ schon erreicht hätte und schon am Ziel wäre. Aber ich setze alles daran, ans Ziel zu kommen … Geschwister, ich bilde mir nicht ein, das Ziel schon erreicht zu haben. Eins aber tue ich: Ich lasse das, was hinter mir liegt, bewusst zurück, konzentriere mich völlig auf das, was vor mir liegt, und laufe mit ganzer Kraft dem Ziel entgegen, um den Siegespreis zu bekommen.“ (Philipper 3, 12 ff) Bei unserem Thema ist der Siegespreis eine lebenslang erfüllte Ehebeziehung.
Einer der stärksten Motoren für Veränderung und Kompetenzentwicklung ist die Liebe. Was waren wir damals verliebt ineinander! Wir schwebten in den Wolken. Diese Liebe treibt einen immer wieder in die Arme des anderen zurück. Wenn sie brennt, ist man schneller bereit, sich zu entschuldigen, etwas wieder gut zu machen oder sich etwas Gutes zu tun – einfach so. Dieses „Feuer der ersten Liebe“ (kennen Sie den Begriff aus der Offenbarung in der Bibel?) haben Claudia und ich uns bemüht, ein Leben lang zu bewahren – weit über 50 Ehejahre. James Dobson, ein amerikanischer Familienberater, hatte uns damals inspiriert. Er brachte den Vergleich mit einem Kaminfeuer: So wie man bei einem Kaminfeuer immer wieder einen Holzscheit nachschieben muss, damit das Feuer am Brennen bleibt und nicht hässliche, kalte Asche übrig bleibt, muss man in seiner Zweierbeziehung immer wieder etwas nachschieben, damit die Zuneigung lebendig bleibt: Hier eine nette Geste, da eine überraschende Hilfeleistung, ein kleines Abenteuer, schnelle Vergebungs- und Versöhnungsbereitschaft …
Teamfähigkeit entwickeln
Die Ehe wird landläufig als Team bezeichnet. Was macht Teamfähigkeit aus? In der Fachliteratur1
findet man folgende Qualitäten:
➜ Kooperationsfähigkeit
➜ Kompromissbereitschaft
➜ Kommunikationsfähigkeit
➜ Kritikfähigkeit
➜ Eigeninitiative
➜ Fokussierung
➜ Selbstvertrauen
➜ Reflexion
Sich diese einmal anzuschauen und auf die Zweierbeziehung zu übertragen, ist lohnenswert. Da fallen Kommunikationsfähigkeit und Kritikfähigkeit besonders auf. Auch Selbstvertrauen ist ein wichtiger Faktor. Fokussierung ist in dieser Aufzählung ein interessanter Begriff: Darunter versteht man, wichtiges von Unwichtigem trennen zu können. Dabei muss jederzeit respektvoll miteinander umgegangen werden.
In meinen Augen ist die Ehe jedoch mehr als eine Teambeziehung.
In der Regel bezeichnet man eine Gruppe von drei bis höchstens neun Personen als ein Team. Im Schöpfungsbericht der Bibel lesen wir bereits „, dass ein Mann seiner Frau anhängen (ankleben, anschmiegen)“ wird (1. Mose 2,24). Ein starker Ausdruck von inniger Einheit. Jesus betont, dass Mann und Frau dann „nicht mehr zwei sind, sondern ein Fleisch“ (Matthäus 19,6), und Paulus steigert sich noch, indem er die Eheeinheit ein großes Geheimnis nennt, die er mit der Einheit von Christus und der Gemeinde vergleicht (Epheser 5,32). Alle Ausdrücke weisen auf eine Innigkeit und Emotionalität in einer Ehebeziehung hin, die in einem Team so nicht vorzufinden sind.
Die wichtigsten Kompetenzen
Kommen wir zu unserem Kernbegriff Kompetenz. „Kompetent bedeutet, sachverständig, befähigt, zuständig oder auch qualifiziert für und in Situationen zu sein. Es ist eine Fähigkeit, die Menschen auszeichnet, Wissen auf einem bestimmten Gebiet zu haben.“2 Welches sind die wichtigsten Kompetenzen für eine glückliche Partnerschaft? Professor Bodemann, ein Schweizer Eheberater spricht insbesondere von drei Kernkompetenzen, denen ich nur zustimmen kann:
1. angemessen miteinander zu kommunizieren (Kommunikationskompetenzen)
2. Alltagsprobleme effizient zu lösen (Problemlösekompetenzen)
3. Alltagsstress wirksam bewältigen zu können (Stressbewältigungskompetenzen)
Bodemann betont, dass diese Kompetenzen geübt werden können. Manch einer wird persönlich überfordert sein, dies selbst einzuüben. Aber dazu gibt es gute Bücher, Seminare oder auch Beratung. Diese Angebote solltest du unbedingt annehmen, wenn du einen Lernbedarf verspürst.
Bikulturelle Paare: eine doppelte Herausforderung
Binationale Ehen sind ein Teil unserer Gesellschaft. Etwa jede Achte. Ehe ist eine binationale, das sind 11,4 % aller Eheschließungen3. Ein bikulturelles Paar geht ein spannendes Abenteuer ein. Es steht vor einer doppelten Herausforderung: Denn im Vergleich zu einem deutsch-deutschen Paar werden die beiden nicht nur mit ihren individuellen Persönlichkeitsunterschieden und Charaktereigenschaften konfrontiert, sondern müssen sich zusätzlich mit dem unterschiedlichen Aufwachsen und ihren verschiedenen kulturellen Identitäten befassen. Das zu ergründen ist eine spannende Angelegenheit und öffnet die Augen für die eigenen kulturellen Eigenarten und die des anderen.
Claudia und ich haben uns intensiv mit dieser Thematik beschäftigt und bieten zusammen mit einigen interkulturellen Paaren dazu Seminare an, die helfen sollen, die eigene kulturelle Identität und die des Partners zu ergründen. Unterschiedliche Haltungen, Erwartungen und Bedürfnisse sollen erkannt, verglichen und formuliert werden.
Schlussendlich soll jedem Paar ein Schlüssel in die Hand gegeben werden, um eine eigene Ehe-Identität zu entwickeln, die auf ihre zwei Kulturen zugeschnitten ist.
Das Geheimnis erfolgreicher Ehe
Vor vielen Jahren ist mir eine Umfrage unter lang verheirateten Paaren (25 Jahre und mehr) von dem amerikanischen Eheberater Norman Wright in die Hände gekommen, die Claudia und mich regelrecht inspiriert hat und die wir vielfach als Grundlage für unsere Seminare genommen haben. Die oben genannten Stichworte zu Teamfähigkeit und Kompetenz finden Sie hier wieder.
Uns haben die ersten beiden Äußerungen regelrecht verblüfft: „Mein Ehepartner ist mein bester Freund. Ich mag meinen Partner als Person.“
Nehmen Sie sich Zeit zu zweit und diskutieren Sie die folgenden Statements
Männer
➜ Mein Ehepartner ist mein bester Freund.
➜ Ich mag meinen Partner als Person.
➜ Zur Ehe gehört eine Hingabe auf Dauer.
➜ Zu einer Ehe gehört Treue.
➜ Wir stimmen uns in unseren Zielen und Absichten ab.
➜ Mein Ehepartner ist mir immer interessanter geworden.
➜ Wir lachen viel zusammen.
➜ Wir stimmen in unseren sexuellen Wünschen überein.
➜ Wir pflegen gemeinsame Hobbys und Interessen.
Frauen
➜ Mein Ehepartner ist mein bester Freund.
➜ Ich mag meinen Partner als Person.
➜ Zur Ehe gehört eine Hingabe auf Dauer.
➜ Zu einer Ehe gehört Treue.
➜ Wir stimmen uns in unseren Zielen und Absichten ab.
➜ Mein Ehepartner ist mir immer interessanter geworden.
➜ Wir haben eine gemeinsame Lebens-Philosophie.
➜ Wir haben einen anregenden Gedanken-Austausch.
➜ Ich bin stolz auf meinen Partner.
Und das von ewig lang verheirateten Paaren! Auch die Aussage „Zur Ehe gehört eine Hingabe auf Dauer“ zeugt von einer klaren Fokussierung, oder „Mein Ehepartner ist mir immer interessanter geworden“ spricht von guter Kommunikationsfähigkeit. Nehmt euch einfach einmal die Zeit zu zweit, und diskutiert diese Statements, inwieweit sie auf eure Beziehung zutreffen und was ihr tun könnt, um auch solche Aussagen machen zu können.