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Sexualität bei Wiederheirat

Ein kleiner privater Exkurs

– von Thomas Schneider

Stell dir vor, du bekommst ein Geschenk. Du darfst es auspacken, entdecken und genießen. Etwas von Gott nur für die Ehe gestiftetes gemeinsam zu entdecken und zu erleben, ist etwas ganz Besonderes. Aber was ist, wenn man das Geschenk weggenommen bekommt? Was ist mit den Erinnerungen und wie geht man damit um, wenn man wieder in eine neue Beziehung starten will?

Der Zerbruch
Es ist nun schon über 20 Jahre her, dass meine erste Ehe begann. Wir waren beide Mitte 20 und waren froh, nun endlich verheiratet zu sein. Doch wie schnell eine Ehe auch wieder zu Ende sein kann, musste ich schmerzhaft feststellen. Wir hatten falsche Prioritäten gesetzt, den Partner nicht in die eigenen Ziele eingebunden. All das Schöne, was man sich in den Jahren davor aufgebaut hatte, all die gelebte Intimität und Nähe zerbrach. Das Intimste, was man mit einem Menschen teilen kann, war nicht mehr. Wenn ich zurück denke, waren es sehr schöne Momente, den Körper meiner damaligen Frau und natürlich auch meinen eigenen Körper zu erleben, sie zu entdecken und eben das zu teilen, was nur für die Ehe bestimmt ist.

Frischverheiratet hatte Sexualität natürlich auch einen etwas höheren Stellenwert. Doch auch diese Erinnerung war in meinem Kopf, dass genau dies mit meiner Frau so nicht mehr sein wird. In mir machten sich Selbstzweifel breit. Bin ich nicht liebenswert? Bin ich nicht attraktiv genug? Was habe ich falsch gemacht? Mein Selbstwert war im Eimer!

Die Situation annehmen
In der folgenden Zeit – das Trennungsjahr lief bereits und ich wohnte wieder allein – fühlte ich mich auch genau so: allein! Es war schon schwierig genug, das eigene Leben geordnet zu bekommen, den Gedanken des Scheiterns zu akzeptieren und darüber mit Menschen zu sprechen. Aber um über die fehlende Nähe, Wärme und Sexualität zu sprechen, fehlte mir einfach der Mut. Zur damaligen Zeit hatte ich übrigens auch den ersten Kontakt zu team-f, denn hier war jemand, mit dem ich über das Scheitern sprechen konnte. Es war nicht so, dass ich den Sex als solches vermisste, waren doch die Verletzungen und der Alltag schwer genug. Aber ich merkte deutlich, dass etwas in meinem Leben fehlte. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich selber ein „JA” zur Scheidung finden konnte, doch Gott hat hier sehr deutlich in mein Leben gesprochen. Es war klar: Es gibt kein zurück mehr!

In meine erste Bibel, die ich mir mit 19 Jahren gekauft hatte, habe ich ganz am Anfang etwas hinein geschrieben:

Das einzige, was du ändern kannst, bist du selbst!

Und so habe ich mich aufgemacht und versucht, mein Leben zu reflektieren. Was habe ICH in allen Bereichen meiner Ehe falsch gemacht, auch in der Sexualität? Rückblickend war das wohl die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. Ich würde es auch jedem anderen in einer ähnlichen Situation empfehlen: nicht auf die Fehler anderer zu schauen, sondern auf die eigenen. Mein Wunsch ist doch, einiges anders zu machen, wenn ich eine Partnerin finden sollte und neu beginnen darf.

Eine neue Beziehung
Als ich meine jetzige Frau im Herbst 2005 kennenlernte, war ich an einem Punkt angekommen, an dem ich offen und ehrlich über meine Vergangenheit und über Fehler in der ersten Ehe sprechen konnte. Ich war bereit, eine neue Beziehung einzugehen, einem anderen Menschen wieder zu vertrauen und somit Nähe zuzulassen. Aus unseren anfänglichen Treffen wurden lange Spaziergänge Hand in Hand an verschneiten Elbhängen entlang. Es fühlte sich neu, aber auch irgendwie vertraut an. Wir sind uns näher gekommen, küssten und umarmten uns. Endlich wieder Nähe! Und genau dieses Gefühl des Vertrauten war ein großer Baustein in der neuen Beziehung für mich.

In den Zeiten der Zweisamkeit kamen oft Erinnerungen wieder, wie schön doch diese Nähe, diese Intimität ist. „Komm, du kannst noch einen Schritt weiter gehen! Erinnere dich doch daran, wie schön es sich damals angefühlt hat. Das kannst du jetzt wieder haben. Los, noch einen Schritt weiter, trau dich!” Und so sind unbewusst viel zu schnell die ersten Zäune gefallen und Grenzen wurden überschritten. Gott sei Dank hat uns in dieser Zeit ein Ehepaar aus der Gemeinde angesprochen und uns ein Mentoring angeboten. Welch ein Segen für uns, denn in den Gesprächen wurde mir klar, dass ich im Bereich der Sexualität keine bewussten Grenzen mehr gesetzt hatte.

Die natürlichen Grenzen beim ersten Kennenlernen, beim ersten Verliebtsein, beim ersten Näherkommen, gab es so in meinem Denken nicht mehr. Mir wurde bewusst, dass ich viele Schritte zurück gehen musste, um diese mit Andrea später gemeinsam neu zu gehen. Diese Erkenntnis hat mich in der folgenden Zeit wohl auch dazu ermutigt, sexuelle Erinnerungen und Erfahrungen beiseite zu schieben und wirklich neu anzufangen.

Dabei stellten wir die Investition in unsere Freundschaft an erste Stelle und die Sexualität musste sich somit nun hinten anstellen.

Gemeinsame Erlebnisse mit Andrea halfen, um mich gedanklich von der Sexualität abzulenken. Ein stetiger Austausch, z. B. von Empfindungen und Grenzen, wurde zu einem wichtigen Bestandteil der Beziehung. Auch machte ich mir immer wieder bewusst, dass alles neu ist und Andrea die Sexualität auf dieser Ebene noch nicht kennt.

Wenn Gott hier nicht durch Menschen in unserem Umfeld eingegriffen hätte, wäre unsere Beziehung auf keinem stabilen Fundament aufgebaut worden. Sexualität aus alten Mustern hätte zu früh eine zu große Rolle gespielt.

Bis zur Hochzeit und darüber hinaus
Kurz vor unserer Hochzeit 2007 brachte man uns auf dem „Start in die Ehe“ Seminar auf die Idee, für unsere Ehe beten und uns segnen zu lassen. Das taten wir dann auch bei einem persönlichen Treffen mit einem Seelsorge Ehepaar. Wir konnten so all unsere Erinnerungen, Gedanken, Bedenken und auch Ängste vor Gott bringen. Es war eine gesegnete Zeit, war es doch für mich ein Freisprechen und endgültiges Lösen von alten Erinnerungen auch im Bereich der Sexualität. So konnten wir befreiter in das neue Abenteuer „Ehe“ starten.

Unsere Mentoren schenkten uns passend zu diesem Thema ein Buch zur Hochzeit: „Sex – Leidenschaft in der Ehe” von Clifford & Joyce Penner. Im Einband steht ein lieber Gruß von ihnen: „Entdeckt eine nur euch so gegebene Möglichkeit zum Lob preis.” Und dann war es endlich soweit: Wir konnten in den Lobpreis starten! Doch da war noch etwas. Etwas, was weder Andrea noch ich vorher bewusst wahrgenommen hatten und das sich jetzt erst zeigte: das Vergleichen! In meinem Kopf schwirrten noch Bilder der körperlichen Nähe mit meiner ersten Frau. Allerdings war dies nur ein kurzer Moment, denn ich wusste, dass auch das Vergleichen bei Gott ist – abgegeben und vergangen. Mit dieser Entscheidung und dem Freisprechen und Lösen der alten Beziehung vor Gott verschwand wirklich das Vergleichen und somit die Erinnerung an das Alte. Außerdem war ich einfach nur begeistert von dem, was mir Gott zum Auspacken geschenkt hatte!

Und so konnte ich meiner Frau mit einem klaren „Nein” antworten, als sie eines Tages fragte: „Vergleichst du eigentlich unseren Sex mit dem deiner ersten Ehe?” Ich konnte sagen, dass etwas Neues entstanden ist, eben etwas, was nur wir zusammen so erleben dürfen. Und es hat sich neu, besonders und schön angefühlt! Und so sind wir über die Jahre immer enger zusammengewachsen und genießen unsere Sexualität.

Die Fähigkeiten, im Bereich der Sexualität sprachfähig und romantisch zu sein und auf die Bedürfnisse meiner Frau einzugehen, sind ebenso durch das bewusste Aufarbeiten entstanden. Davon profitieren wir beide sehr.

Das allein reicht jedoch nicht jedem in seinem Umgang mit den alten Gedanken. Sehr wertvoll ist dann das Aufsuchen professioneller Hilfe von außen.

Und so können wir dank lieber Menschen, Gebet und Gottes Wirken in meinem, in unserem Leben, ein neues „Wir” auch im Bereich der Sexualität erleben – frei von alten Erinnerungen und Erfahrungen und Vergleichen. Und dafür sind wir sehr, sehr dankbar!

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