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Steilvorlage für Eltern

Beim Thema Sex sind vor allem sie gefragt!

– von Heidi Goseberg

Laut einer Studie zur Jugendsexualität vom BZgA aus Dezember 2019 sind Eltern die wichtigsten Personen bei der Aufklärung ihrer heranwachsenden Kinder. Die Studie überrascht ebenso, weil sie einige weit verbreitete Ansichten und Klischees zu Teenagern widerlegt.

Ja, das ist nun wirklich eine Steilvorlage für Eltern, wenn die Kids ihnen schon das Mandat geben. Doch zeigt die Erfahrung, dass Gespräche über Sexualität nicht leicht sind und dass es auch bei den Erwachsenen große Hürden gibt. Diese Gespräche sind so wichtig, weil sie vertrauensbildend sind. Auf jeden Fall wird es leichter, wenn man frühzeitig das Gespräch sucht und nicht erst im Teenageralter. Wie können Eltern selbstverständlich, natürlich und positiv im Gespräch mit ihren Heranwachsenden sein?

Zunächst, indem sie sich ihrer Verantwortung bewusst werden. Gespräche werden nicht in Gang kommen, wenn Eltern sie nicht initiieren, schon gar nicht über Sexualität („Und wenn Aufklärung schon in der Schule stattfindet, dann sind die Kids doch im Bild …“).

Kinder geben immer wieder Anlass zum Gespräch Kinder stellen Fragen, üblicherweise schon im Kindergarten alter. Wenn sie wissen, dass ein Baby im Bauch wächst, werden die nächsten Fragen sein, wie es hinein und wieder heraus kommt, warum nicht jeder ein Baby im Bauch hat, warum ein Mädchen keinen Penis hat …

Häufig geben Kinder den Anlass und auch die Inhalte vor.

Im Kleinkind- und Kindergartenalter ist es wichtig, Fragen altersgemäß zu beantworten – nicht mehr. Damit ist ihr Wissensdrang für eine Zeit oder bis zum nächsten Anlass gestillt, ansonsten bohren sie von selbst weiter.

Wenn Kinder nicht fragen, gibt es kindgerechte Literatur. Vorlesen oder gemeinsam lesen sind schöne Eltern Kind Zeiten und das gilt vor allem für intime Gespräche – immer mal wieder, weil es als gute emotionale Erfahrung verankert und erst die wiederholte Information beim Kind abgelegt wird.

Viel natürlicher fließt es jedoch in den Alltag ein, wenn wir aufmerksam Alltagssituationen aufgreifen und thematisieren, auch nach der Kindergartenzeit. Entwickele ein Gespür für die (manchmal unausgesprochenen) Fragen, den richtigen Zeitpunkt oder Situationen, die oft steile Gesprächsvorlagen bieten. Unsere Kinder kamen mit Schimpfwörtern aus der Schule, wie z. B. Hure, und fragten nach, was das bedeute. Manchmal habe ich mich zuerst mit Essen kochen heraus geredet und mir Zeit zum Nachdenken verschafft. Mit meiner anschließenden Antwort fühlten sich unsere Kinder meistens kompetent – weil wir darin übereinstimmten, dass viele Kids Ausdrücke nur aufschnappen und verwenden, ohne zu wissen, was sie bedeuten. Fragt ein Kind nicht von allein, ist es umso wichtiger, Anlässe aufzugreifen und vorsichtig mit Fragen ein Gespräch anzustoßen.

Die Grundlagen, auch mit Heranwachsenden über Intimität und Sexualität gut im Gespräch zu bleiben, werden früh gelegt. Je natürlicher wir in der frühen Kindheit begonnen haben, umso geringer ist die Hürde, auch später mit aufkommenden Fragen die vertrauten Gespräche mit Eltern aufzunehmen.

Warum ist die Rolle der Eltern bei der Aufklärung so wichtig?
Über intime Dinge spricht man doch am ehesten mit vertrauten Personen, die man kennt und liebt – von denen man die wichtigsten Dinge des Lebens erfährt, die man zu Hause auch „ungeschminkt“ erlebt, von denen man Zuwendung erfährt und die nicht lachen, wenn man blöde Fragen stellt.

Außerdem haben Eltern die große Chance, die sexuelle Aufklärung mit ihren christlichen Werten zu verbinden und über eine lebensbejahende Sexualität zu sprechen. In einer klaren und sauberen Sprache.

Eltern sollten wissen, dass erste Informationen prägend sind.

Ganz sicher saß ich an jedem ersten Elternabend im Schuljahr in der Schule, um zu erfahren, was Sexualaufklärung betreffend im Lehrplan für das Schuljahr vorgesehen war und habe danach meine Gespräche „geplant“ – und natürlich einen guten Zeitpunkt dafür abgewartet.

Oft habe ich die Krankheitszeiten der Kids genutzt, weil dies seltene Gelegenheiten mit einem Kind allein zu Hause waren und die Offenheit für vertraute Gespräche oft sehr groß war. Wenn man dazu ein Kind auf den Schoß nimmt oder sich gemütlich mit einem warmen Getränk auf dem Sofa zusammenkuschelt, schafft man dazu eine gute Atmosphäre. „Das waren auch im Teenageralter die schönsten Zeiten“, habe ich noch vor kurzem vernommen.

Das Vorbild der Eltern hat dabei ein großes Gewicht, praktisch vorzuleben, was wir vermitteln wollen. Es unterstreicht unsere Worte und das Thema verliert den peinlichen Charakter, z. B. wenn natürlich Zärtlichkeiten zwischen Eltern ausgetauscht werden, der Ausdruck von Zuneigung zum Alltag gehört, wenn wir selbst unaufgeregt und respektvoll über Sexualität sprechen.

Worüber sprechen wir?

Mit jüngeren Kindern

  • über Geschlechtsunterschiede, die körperliche Entwicklung, über Partnerschaft und wie ein Kind entsteht und zur Welt kommt. Dazu gibt es viel gute Literatur mit Gesprächsanregungen für Eltern, ebenso entsprechende Bücher für Kinder, die man gemeinsam lesen und Fragen dazu beantworten kann.
  • über die körperlichen und seelischen Veränderungen rechtzeitig vor der Pubertät, sodass ein Junge nicht vom ersten Samenerguss überrascht wird und ein Mädchen nicht von der ersten Periode.
  • frühzeitig auch über die Umgangssprache, die in unserer Gesellschaft nicht gerade „fein“ ist. Anstatt die Ausdrucksweise anzuprangern, war es für uns immer Anlass zum Gespräch über das, was herabsetzend, entwürdigend, verletzend und respektlos ist und wie es unser Denken und unsere Haltung beeinflusst. Eine saubere und respektvolle Umgangssprache haben wir immer wieder thematisiert.

Rechtzeitig vor der Pubertät sprechen wir über Teeniefreundschaften, die schön und normal sind. Wer von uns erinnert sich nicht an den ersten Schwarm und die Flut von Gefühlen! Doch ist der Druck, intime Erfahrungen zu sammeln, immens. Es ergibt Sinn, bereits vorher darüber zu sprechen, dass man sich von starken Gefühlen nicht überwältigen lassen muss, sondern selbstbestimmt und seinen Vorsätzen treu bleiben kann. Wir haben unsere Kids ermutigt, frühzeitig für sich Grenzen zu definieren und dazu gute Vorsätze zu fassen, wie z. B. nicht mit dem Erstbesten ins Bett zu gehen o. a. Das ist noch keine Garantie, fällt aber in vertrauensvollen Gesprächen oft tief ins Herz und ist in entsprechenden Situationen abrufbar und ein guter Schutz.

Auf jeden Fall raten wir unserem Teenie, sich nicht zu sexuellen Handlungen überreden zu lassen, schon gar nicht von einem Erwachsenen. Einen guten Rat haben wir von einer erfahrenen Sexualtherapeutin für alle Beziehungen aufgenommen: „Leg‘ dich nicht zu früh fest – mach‘ in deiner Jugend alles, was du später nicht mehr machen wirst – für Sex hast du noch dein ganzes Leben Zeit!“

Wir sprechen natürlich auch über Verhütung in Verbindung mit unseren Werten.
Vor allem, wenn dein Teenie trotz aller Gespräche nicht davon abzubringen ist, mit dem Freund oder der Freundin intim zu werden, sollten wir einen Termin mit der Frauenärztin planen. Jungen müssen auf ihre Verantwortung hingewiesen werden. Niemand darf bei intimen Begegnungen ein Mädchen mit einer Schwangerschaftsverhütung allein lassen. Der eingangs genannten Studie zufolge scheint das aber zu gelingen, da die meisten jungen Pärchen eher auf Kondome zurückgreifen und die Pille einen rückläufigen Trend verzeichnet.

Thematisiert auch Teenagerschwangerschaften, die trotz aller Aufklärung nicht selten sind. Schaffe Vertrauen, dass du für so schwierige Situationen erste Anlaufstelle bist. Beratung und Hilfe sind unbedingt nötig, Hilflosigkeit und Angst vor den Eltern führt oft zu Kurzschlussreaktionen. Wir haben unseren Kindern versichert, dass wir uns für sie einen guten Start in eine Beziehung wünschen, sie aber auch nach Kräften unterstützen würden, wenn es nicht bilderbuchmäßig ablaufen sollte.

Gleichgeschlechtliche Freundschaften werfen besonders bei christlichen Jugendlichen Fragen auf.
Wie harmlos und selbstverständlich waren einmal Jungen- und Mädchenfreundschaften – und wie wichtig! Und was wird da mittlerweile hineingedeutet. Eine gleichgeschlechtliche Freundschaft ist noch kein Hinweis auf eine sexuelle Orientierung und eine Teenagerneigung deutlich von einer Erwachsenenorientierung zu unterscheiden. Dennoch sollten wir unsere Teenager generell und besonders bei diesem Thema anleiten, Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung zu achten und zu respektieren, die vor allem als Christen oft einen langen Leidensweg haben. Wir vertreten unsere christlichen Werte, doch es gibt nicht die einfachen Antworten und Verurteilungen, platte und phrasenhafte Kommentare oder Standpunkte verletzen sehr.

Immer gilt es, Wege zu finden, die zu einer Familie passen und den Kids gerecht werden. Vor Kurzem sprach ich mit einem Vater, der zunächst auf abendlichen Hundespaziergängen das Gespräch mit seinem Teenager gesucht hat. Die Atmosphäre empfand er jedoch als gespannt, das hat sich nicht wirklich gelöst und so hat er erst einmal Abstand genommen. Nach einer Zeit überraschte ihn der Teenager mit der Aussage, dass er diese Gespräche zwar auch etwas steif empfand, aber doch vermisse.

Inzwischen hat die Familie einmal im Jahr zu einer bestimmten Zeit ein Date mit den Heranwachsenden, um über Freundschaft, Liebe und Sex unter allen gerade relevanten, aufkommenden Facetten zu sprechen. Von allen gleichermaßen gewünscht und geschätzt, normal und natürlich und in einer guten Atmosphäre. Also:

Wenn’s nicht auf Anhieb klappt, ist das kein Grund aufzugeben, sondern nur, einen anderen Weg zu suchen!

Gottes gute Gedanken zu Liebe und Ehe bleiben aktuell
Sexuelle Erfahrungen sind die intimsten zwischen Menschen, die Körper und Seele tief berühren. Sexualität verliert ihren Zauber und nutzt sich ab, wenn Sexualpartner ausprobiert und beliebig gewechselt werden.

Gott hat sich etwas dabei gedacht, als er die Ehe als besondere Beziehung hervorgehoben und gesegnet hat. Es lohnt sich, Sexualität zu bewahren für den Partner, mit dem man das Leben teilen möchte. Darüber sprechen wir bis heute mit jungen Menschen, auch wenn das ganze Umfeld anders konditioniert ist. Auch das schönste Geschenk verliert an Wert, wenn es „verschleudert“ und verausgabt wird.

Egal, was passiert …
Welcher Erwachsene kann schon von sich sagen, alle Erwartungen der Eltern erfüllt zu haben? So werden auch unsere Kinder nicht alles annehmen, was wir ihnen mitgeben. Ein guter Rat ist, Druck aus dem Thema zu nehmen. Unsere Kinder waren mit 15 Jahren übereinstimmend der festen Überzeugung, dass spätestens da alle ihre Klassenkameraden über einschlägige intime Erfahrungen verfügten. Ich habe dazu immer gesagt, dass dies wohl auf einige zutreffen wird, andere jedoch einfach nur etwas vorgeben, um mithalten zu können. Das leuchtete ihnen ein und so bekam das Thema ein anderes Gewicht. Die o. g. Studie zur Jugendsexualität belegt, dass lediglich 13 Prozent der 15-jährigen Mädchen und 10 Prozent der 15-jährigen Jungen über intime Erfahrungen verfügen. Folglich können wir unseren Teenagern versichern, dass sich niemand rückständig fühlen muss, mit 17 noch „jungfräulich“ zu sein.

Wir waren uns jedoch immer auch bewusst, dass es für unsere Kids ungleich schwerer war, nach christlichen Maßstäben zu leben, als für uns, weil ihr Umfeld ganz anders konditioniert ist. In unserer Jugend hatte es noch einen Beigeschmack, wenn ein junges Paar unverheiratet zusammen lebte. Lange schon gilt es eher als exotisch, vor der Heirat nicht zusammen zu leben. Wir machen daher einen deutlichen Unterschied zwischen jungen Paaren kurz vor der Hochzeit und jungen Menschen, die sich „ausprobieren“.

Lasst die Kids nicht allein
Das Thema Sex ist natürlich im Teenageralter eines der Hauptthemen. Auch wenn sie vorgeben, alles zu wissen, bleibt an der Seite eurer Teenager in den Höhen und Tiefen der Gefühle und allen Einflüssen, denen sie ausgesetzt sind. Bleibt vertrauensvoll im Gespräch, wertschätzt das Bemühen der Heranwachsenden, betet für einen guten Schutz und bleibt vor allem vergebungsbereit, auch wenn sie sich in manchem anders entscheiden und ihr enttäuscht seid.

Zum Schluss ein Wort an die Eltern
Mit der erwachenden Sexualität wächst natürlich auch die Sehnsucht nach gleichaltrigen freundschaftlichen Beziehungen. Die ungleich stärker ist, wenn die wichtigen Bedürfnisse nach Liebe und Annahme nicht oder nur unzureichend erfüllt sind. Umso offener werden Heranwachsende für Nähe und intime Beziehungen, umso anfälliger auch für Missbrauch. Der beste Schutz ist immer noch, den Liebestank eines Kindes oder Jugendlichen zu Hause satt abzufüllen. So kann ein junger Mensch deutlich entspannter Beziehungen in seinem Umfeld eingehen.

Aller Anfang ist schwer
Doch mit jeder Erfahrung werden die Hürden kleiner, die bei den Heranwachsenden sowieso geringer sind, als bei den Eltern. Allerdings machen die elterlichen Vorbehalte sie auch zurückhaltend. Gerade die intimen Gespräche stärken das Vertrauen zwischen uns, weil wir damit unsere Teenager wert schätzen. Unsere Erfahrung ist: Wenn es uns gelingt, darüber gut im Gespräch zu sein, werden wir nahezu über alles andere auch sprechen können.

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