Von Ablehnung hin zu einer herzlichen Mutter-Tochter-Beziehung
– von Damaris Fritschle
Lange wusste ich nicht, warum die Beziehung zu meiner jüngsten Tochter so kompliziert war. Bis Gott mir auf einem Seminar zeigte, wie sehr eine Fehlgeburt Einfluss auf das Beziehungsgefüge in unserer Familie genommen hatte.
»Wäre meine dritte Tochter als erstes Kind geboren, hätte ich nur ein Kind!« Diese Aussage konnte man oft von mir hören. Aus ihr sprach meine Verzweiflung und Kraftlosigkeit. Die Beziehung zu meiner jüngsten Tochter Rebekka war schon schnell sehr anstrengend.
Eine komplizierte Beziehung
Mit zehn Monaten beschloss sie, nicht mehr am Tag zu schlafen und unsere Machtkämpfe begannen. Ich wollte, dass sie schlief; sie wollte das nicht. Rebekka war willensstark und unberechenbar. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sie penetrant auf Rebellion aus sei und sie zeigte ein Wut-Verhalten, welches ich von ihren Geschwistern nicht gewohnt war. Wie oft betonte ich, auch in ihrem Beisein, wie sehr sie sich von ihren Schwestern unterschied, und wie anders sie sei.
Wie ich ihr Selbstbild damit prägte, zeigte sich, als sie in einem Urlaub aus Versehen mit einem Wasserski am Kopf getroffen wurde. Rebekka erklärte, dass dies nicht schlimm sei. In ihrem Kopf sei eh nicht alles in Ordnung. Sie sei ja als Kind von der Terrasse gefallen. Mich traf es, dass sie sich selbst als »nicht in Ordnung in ihrem Kopf« bezeichnete und der Sturz von der Terrasse war ihr Erklärungsversuch dafür.
Ich hatte ein schlechtes Gewissen, wusste mir aber nicht zu helfen.
Mittlerweile war sie sieben Jahre alt und lange war unsere Beziehung von Liebe, aber auch von stetem Konkurrenzkampf geprägt. Es gab solche und solche Tage. Nie wusste ich, wie viel Kraft mich dieser Tag kosten würde.
Einmal durfte Rebekka in den Osterferien für zehn Tage zu meinen Eltern. Ich war erschüttert, als ich merkte, dass ich sie nicht vermisst hatte und fast traurig war, als die zehn Tage vorbei waren. Dafür wiederum schämte ich mich. Immer wieder brachte ich dies vor Gott. Doch es schien keine Lösung zu geben. Das Kind war halt schwierig und ich musste wohl da durch.
Dann wirkte Gott!
Als mein Mann das Wochenendseminar »Teen-Age – mehr als ein Alter« bei team-f mitleiten sollte, kam er kurz vorher auf die Idee, dass ich mit den Mädchen mitfahren könnte. Unsere Töchter und ich freuten uns darauf und an einem Montag, fünf Tage vor Beginn, kam die Zusage der Seminarleitung.
Ab diesem Zeitpunkt verlief die Woche extrem angespannt. Erst erbrach sich das eine Kind, dann das andere. Unser Pflegesohn verlor sein Portemonnaie mit allen Papieren vom Ausländeramt. Das nun brechende Kind wand sich vor Bauchschmerzen. Morgens vor der Abfahrt wurde eine Blinddarmentzündung ausgeschlossen, mittags vor Abfahrt ergab sich in einer von mir betreuten Familie noch eine Krise, für die ich mit verantwortlich war. Im gefühlten Minuten-Takt hörte ich »Mama?« »Mama!« »Mamaaaaa …« Die Migräne erfasste mich.
Zwischendurch kam mein Mann, den ich in Ruhe sein Seminar vorbereiten lassen wollte, zu mir und sagte: »Damaris, wir stehen voll in Anfechtung! Gott hat auf dem Seminar etwas vor. Lass dich nicht beirren!«
Wir packten unser Auto und fuhren los. Ich war sehr gespannt, was das Wochenende bringen würde, doch bis Samstagnachmittag geschah gar nichts. Ich ging im Wald spazieren und sprach zu Gott, dass ich warten würde auf das, wofür sich diese Anfechtung lohnte. Für irgendetwas musste diese anstrengende und auffällig kräftezehrende Woche doch gut gewesen sein.
Der Durchbruch
Am Samstagnachmittag berichtete die Leiterin dann von ihrer schwierigen Situation mit ihrer Tochter. Die beiden seien sich sehr ähnlich und das Miteinander sei so schwierig gewesen, dass die Leiterin irgendwann bemerkte, dass sie ihr Kind innerlich ablehne. Sie berichtete von Buße und Neuannahme des Kindes und welch ein Segen genau dieses Kind ihr nun im Alter geworden sei. Während ich dies hörte, kullerten mir die Tränen über die Wangen. Ich konnte dies so mitfühlen.
Ich verstand, dass ich mein Kind innerlich schon lange ablehnte.
Ich war zutiefst erschrocken. Das Angebot, am Abend in kleinen Gruppen über eigene Anliegen zu beten, nahm ich gerne an. Es war mir sehr peinlich, vor anderen zu bekennen, dass ich mein Kind ablehnte. Wichtiger war es mir jedoch, diese Ablehnung vor meinem Gott zu bekennen und im Gebet Buße zu tun.
Der richtige Platz für Rebekka
Bevor ich Rebekka neu annehmen konnte, sprach Gott in mein Herz. Er sagte: »Damaris, sie ist nicht dein drittes Kind! Sie ist dein VIERTES Kind!« Ich war kurz verdutzt. Doch bevor ich darüber nachdenken konnte, kamen ganz schnell Erinnerungen in mir hoch. Ich erinnerte mich, wie mein Mann und ich dieses
dritte Kind geplant hatten und Gott um seinen Segen gebeten hatten. Tatsächlich wurde ich sofort schwanger und wir freuten uns sehr! Gott hatte unseren Plan gesegnet! Was sollte da noch schief gehen?
Doch kurz darauf verlor ich dieses Kind. Das konnte ich nicht verstehen und meine Trauer war groß. Gott hatte doch unseren Plan gesegnet. Ich war verwirrt. Mein Mann und ich beschlossen daraufhin, unsere Planung mit dem dritten Kind auf den Zeitpunkt zu verschieben, wenn unsere zweite Tochter Johanna in den Kindergarten käme. Sie war da ein Jahr alt.
Im nächsten Zyklus war ich jedoch sofort wieder schwanger. Nach Hoffen, Freude und Trauer brauchte ich einige Wochen, um mich nun auf dieses Kind einlassen zu können. Und so war Rebekka mein drittes Kind. Als Gott mich daran erinnerte, verstand ich plötzlich, dass sie eigentlich mein viertes Kind ist. Ich jedoch hatte sie viele Jahre innerlich als mein »drittes, falsches« Kind gesehen. Nun sagte Gott mir, dass sie mein »viertes, richtiges« Mädchen ist. Sie ist in Ordnung und nicht falsch. Dies traf mich sehr.
Endlich kam Licht in mein Dunkel und damit auch noch Ruhe in mein Herz.
Meine Einstellung zu diesem Kind veränderte sich von jetzt auf gleich schlagartig. Mir wurde bewusst, dass Rebekka vielleicht nicht so anstrengend gewesen wäre. Aber von der Schwangerschaft an spürte sie meinen Widerwillen, den ich selber gar nicht wahrgenommen hatte. Und sie musste schon von klein auf »kämpfen«. Und ich habe meinen Teil zu unseren Machtkämpfen beigetragen.
Eine herzliche Mutter-Tochter-Beziehung
Mittlerweile sehe ich keine »glänzende Vier« mehr über ihr, die ich in den ersten Tagen immer wieder über ihrem Kopf sah, mit der mich Gott liebevoll an diese Offenbarung erinnerte. Seit diesem Erlebnis sind einige Jahre vergangen. Ich bat Rebekka damals um Entschuldigung für all mein Schimpfen und Schreien. Alle meine Töchter wissen nun auch über das Geschwisterchen bei Gott Bescheid. Rebekkas und meine Beziehung hat sich sehr verändert. Sie ist sehr herzlich, aber immer noch von klarer Führung geprägt.
Rebekka zeigt mir sehr stark ihre Liebe und ich liebe sie von ganzem Herzen, ohne innere Ablehnung. Ich bin froh, dass sie mein drittes lebendes Kind ist. Ich kann in ihr viele wundervolle Seiten entdecken, die bei ihren Schwestern nicht so ausgeprägt sind. Und wie gerne benenne ich ihr dies gegenüber und freue mich mit ihr!
Ich habe Rebekka gefragt, ob ich diesen Text für die Öffentlichkeit schreiben darf. Rebekka hat ohne Zögern zugestimmt. Sie hat ein großes Herz! Ich bin Gott sehr dankbar!