Zwei Familiensysteme treffen aufeinander
– von Mirjam Fichtelberger
Vor 17 Jahren begann unser Leben als Patchworkfamilie. Ein aufregendes, herausforderndes Leben, wie ich es aus heutiger Sicht beschreiben würde.
Der Wunsch nach einer glücklichen Familie Mein Mann Bernd und ich waren beide verwitwet. Ich war sieben Jahre alleinerziehend und hatte zwei Söhne. Mein Mann war zwei Jahre alleinerziehend und hatte drei Kinder. Plötzlich hatten wir zusammen fünf Kinder im Alter von 12, 15, 15, 17 und 21.
Natürlich hatten wir uns im Vorfeld gefragt, wie die Kinder diese neue Situation wohl miteinander meistern würden, aber wir waren hoch motiviert und glaubten, nun wieder eine komplette Familie zu sein. Wir wollten mit ihnen gemeinsam Leben gestalten, Unternehmungen starten und zusammenwachsen. Recht bald wurden wir aber eines besseren belehrt, denn unsere Kinder wollten das keineswegs.
Auf dem Boden der Tatsachen
Der 17-Jährige hatte in meinem Heimatort eine Ausbildung begonnen und wollte diese auch dort beenden. Er ist also gar nicht mitgekommen, sondern hat mit meiner Patentante zusammen in meinem Haus gewohnt. Wir sind dann die erste Zeit jedes Wochenende 270 Kilometer gefahren und haben meist den Jüngsten meines Mannes und meinen jüngsten Sohn mitgenommen und den 17-Jährigen besucht. Die zwei ältesten Kinder meines Mannes wollten zuhause bleiben.
Unsere Illusion einer normalen Familie verflog daher schnell.
Wir haben dann versucht, uns darauf einzustellen und die Wünsche unserer Kinder zu akzeptieren, denn nicht sie hatten sich verliebt, sondern wir.
Dennoch haben wir mit vier Kindern den Alltag gemeistert und uns gefreut, dass sie ganz gut miteinander klar kamen, da wir von keinem unserer Kinder erwarteten, eine Freundschaft mit den Kindern des neuen Partners leben zu müssen. Ich glaube, gerade deshalb ist dann aber etwas Positives unter ihnen entstanden. Die zwei 15-Jährigen schlossen recht schnell trotz ihrer Unterschiedlichkeit Freundschaft. Der 12-Jährige hat zu seinem neuen Stiefbruder in kürzester Zeit aufgeschaut und ihn als älteren Stiefbruder akzeptiert und das hält bis heute an. Inzwischen wohnen sie 400 Kilometer voneinander entfernt und immer wieder besucht er seinen älteren Stiefbruder.
Bernds 21-jährige Tochter und mein 15-jähriger Sohn hatten am meisten Konflikte miteinander, da sich mein Sohn absolut gar nichts von ihr hat sagen lassen und sie öfters mit Tatsachen konfrontiert hat. Wir als Eltern haben uns da meist nicht in die Diskussionen mit eingeschaltet, weil wir festgestellt haben, dass sie es recht gut allein miteinander regeln konnten.
Jede Patchworkfamilie braucht individuelle Lösungen
Unsere Gespräche als Paar am Anfang unserer Beziehung drehten sich zu 80 Prozent um die Kinder. Nicht, weil die Kinder miteinander Schwierigkeiten hatten, sondern eher ich mit den Kindern meines Partners.
Unsere Herkunftsfamilien und auch unsere Erwartungen an ein Miteinander waren sehr unterschiedlich und so waren Konflikte vorprogrammiert.
Ein Buch, das uns bei der Bewältigung unserer Situation sehr geholfen hat, ist das Buch »Stieffamilien« von Hans Jellouschek. Jede Stieffamilie hat ihre eigene Struktur und da ist es wichtig, auf die ganz spezielle Form dieser Stieffamilie einzugehen. Man kann da überhaupt keine Allgemeinaussagen machen, weil es einen Unterschied macht, ob die Kinder im Kleinkindalter sind, wenn sie eine Patchworkfamilie werden oder so wie bei uns Teenies.
Abschließend möchte ich alle ermutigen, die diesen Schritt miteinander wagen. Denn wahrhaft lieben lernt man nur in Konflikten und daran wachsen wir und werden zu reifen Persönlichkeiten.