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Unsere Empfehlungen für Dauerpflegefamilien

– von Hedwig und Christof Matthias

»Nie hätte ich gedacht, dass unser Leben so schön ist mit unseren Pflegekindern. Und nie hätte ich gedacht, dass es so schwer ist.« Dieser Satz unserer Bekannten klingt mir im Ohr, wenn wir über die besonderen Herausforderungen mit Pflegekindern nachdenken… Zusammen mit ihrem Mann nahm sie fünf Kinder auf, wohl wissend, dass dies eine außerordentliche Berufung, Ausnahme und Herausforderung ist.

Auch bei uns fanden über die Jahre einige Kinder vorübergehend ein warmes Plätzchen in Haus und Herz. Das »letzte« blieb mehr als 15 Jahre – ein kleiner, mehrfach schwerbehinderter Junge mit einem goldenen Herzen. Auch dies ist eine besondere Geschichte, die Handschrift Gottes… Wie bei allen anderen auch!

Die Möglichkeiten sehen und sich der Grenzen bewusst sein
Jede Familie, jedes Kind ist besonders und einzigartig, unvergleichlich mit allen Chancen und Risiken.

»Gehe immer von den Möglichkeiten aus, nie von den Defiziten!«

Dieser Leitspruch gilt für jeden Menschen, erst recht für Familien mit angenommenen Kindern. Er gilt sowohl für die angenommenen Kinder, als auch für die Familien selber, die Eltern und die leiblichen Kinder. Und trotzdem stellen sich viele Eltern immer wieder die Fragen: Wo sind die Entwicklungsmöglichkeiten, die wir nutzen können? Wann ist ein Defizit so groß, dass es trotz aller Förderung, pädagogischem Geschick und Gebet bleibt? Ich finde, das genau beschreibt die Spannung, eine Ambivalenz, die nicht aufzulösen ist. Damit das Familienleben mit Pflegekindern trotzdem in weiten Teilen gut gelingen kann, sind folgende Tipps hilfreich.

Ein paar Eckpunkte, die es abzuklären gilt, und hilfreiche Tipps:

  • Familien, die bereit sind, Kindern auf Dauer eine neue Heimat zu bieten, sollten sich vorab umfassend informieren. Sowohl andere Familien, die bereits langjährige eigene Erfahrungen haben, als auch Vereine wie der »PFAD« oder die »Stiftung zum Wohl des Pflegekindes«, sind gute Adressen.
  • Es ist hilfreich, die Geschwisterfolge zu belassen. Damit es nicht zu einer unnatürlichen Geschwisterrivalität kommt, sollte möglichst kein Kind, das älter als alle anderen Kinder ist, in die Familie kommen.
  • Eine unbedingte Voraussetzung ist das uneingeschränkte »JA« aller Familienmitglieder. Ein »dir zuliebe, weil du dir das (ein) Kind so sehr wünschst« ist keine gute Basis.
  • Mit entscheidend für ein segensreiches, langjähriges
  • Zusammenleben als Familie sind die euch zur Verfügung
  • stehenden Ressourcen. Genau wie Amelie es im Interview auf den vorherigen Seiten beschreibt, ist die Pflege und Erziehung eines Kindes, das i. d. R. aus einem dysfunktionalen Hintergrund kommt, überhaupt nicht vergleichbar mit der Erziehung eines leiblichen Kindes und auch nur ein Teil der Aufgabe. Zum individuellen Förderbedarf kommen regelmäßige Dokumentationen, Gespräche mit dem Jugendamt, den Trägern und ggf. auch die Treffen mit den leiblichen Eltern. Das kostet Zeit und Energie.
  • Ohne regelmäßige Reflexionen individueller Entwicklung und der sich verändernden Familiendynamik durch Supervision geht es nicht! Leider wird das nicht immer und automatisch vom Jugendamt empfohlen und bezahlt und muss daher eingefordert und in Anspruch genommen werden.
  • »Meißelt« unverrückbare Qualitätszeiten in den Kalender! Für euch als Paar und für eure leiblichen Kinder. Ihr als Partner und eure Kinder müsst euch darauf verlassen können, dass ihr »dran kommt«, dass es Zeit und Raum für Begegnung gibt, die nur euch gilt. Die kleinen, feinen Rituale schaffen Sicherheit und begegnen dem Gefühl, an den Rand gedrängt zu werden. So ein Kinderherz und so ein Eheherz verkraften viel mehr, wenn sie sich geliebt wissen und das auch spüren.
  • Raus aus der Exklusivität! Was meinen wir damit? So wie ein erkranktes Familienmitglied eine Weile vermehrt Aufmerksamkeit bekommt (und auch braucht), kommt irgendwann die Zeit, wo der »Patient« entweder gesund wird oder die Pflege in den Alltag integriert wird. Familie leben heißt Gemeinschaft leben. Dass der Unterstützungsbedarf unterschiedlich ist, versteht sich von selbst – aber eben unterschiedlich, nicht exklusiv.
  • Sucht euch Verbündete, Freunde, eine »Klagemauer« außerhalb der Familie. Dieser Tipp gilt für alle gleichermaßen, und ganz bestimmt für Pflegefamilien.

Wir wünschen allen Familien einen frohen, gelassenen, ehrlichen, achtsamen und vor allem gnädigen Blick auf sich selbst. Vieles gelingt, anderes misslingt. Wir feiern Erfolge und betrauern Scheitern. Wir bitten um Vergebung, gewähren sie und nehmen sie für uns selber an…

Bleibt behütet!

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