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Aus Fehlern lernen – wie sonst?

Fehler zugeben und daraus lernen

– von Siegbert Lehmpfuhl

Hoppla, wie soll das denn gehen? Es sollte doch alles perfekt sein. Wenn mir mal ein Fehler geschieht wird er schnellstens korrigiert und er wird nie wieder passieren. Da passe ich auf und verwende alle meine Kraft. Am besten wäre, wenn es niemand merkt. Wirklich?

Niemand ist perfekt – und das ist auch gut so. Sonst wäre das Leben wohl ziemlich langweilig. Es würde keine Diskussionen geben – und Ideen wären auch nicht nötig. Laaaangweilig, oder?

Fehler machen unser Leben spannend!

Regelmäßig zeigen sie uns unser persönliches Entwicklungspotential. Alles was wir tun müssen, ist, sie zu erkennen, zu begreifen und in Zukunft zu vermeiden. Es gibt viele Sprüche über Mängel und Fehler, um uns bewusst zu machen, dass falsche Entscheidungen auch neue Türen öffnen können. Hier ein paar Zitate von bekannten Persönlichkeiten:

  • »Unser größter Ruhm ist nicht, niemals zu fallen, sondern jedes Mal wieder aufzustehen.« (Nelson Mandela)
  • »Wer noch nie einen Fehler gemacht hat, hat sich noch nie an etwas Neuem versucht.« (Albert Einstein)
  • »Den größten Fehler, den man im Leben machen kann, ist, immer Angst zu haben, einen Fehler zu machen.« (Dietrich Bonhoeffer)

Oder was hältst du von den folgenden Sprichworten? »Wo gehobelt wird, fallen Späne.« Oder die Ableitung davon: »Wer nicht arbeitet, begeht auch keinen Fehler.«

Lebenslanges Lernen
Oft höre ich diese Weisheit, dass wir ja lebenslang lernen sollten. Meist ist damit aber gemeint, kognitiv hinzu zu lernen und nicht irgendwann »einzurosten«. Sogar auf Unis sind oft ältere Leute zu finden, die getreu diesem Grundsatz nicht mit dem Lernen aufhören wollen. Ich kann das gut nachvollziehen, denn mit dem Rentenbeginn hatte ich mir auch eine Qualifizierung vorgenommen. Das war auch nicht der Abschluss meines kognitiven Lernprozesses. Wie lernt nun ein Mensch effektiv? Sicher ist hartes Training und Studium notwendig. Aber auch Erfahrungen und deren Auswertung sind wertvolle Wege, wie die oben genannten Zitate erkennen lassen.

Authentisch leben
Schauen wir uns dazu einmal das Johari-Fenster an. Dort werden vier Bereiche bezeichnet: die Arena, die Maske, das unausgeschöpfte Potential und der blinde Fleck. Authentisch lebe ich, wenn ich bestrebt bin, dass der blinde Fleck und das unausgeschöpfte Potential wie auch die Maske zugunsten der Arena immer kleiner werden. Die Grafik macht das deutlich:

In meiner langjährigen Seminartätigkeit bei team-f wurde in Feedbackrunden oft erwähnt, wie wertvoll die persönlichen und authentischen Berichte von Mitarbeitern waren. Besonders erwähnt wurde, wenn Mitarbeiter nicht nur von den tollen Erfahrungen ihres Lebens, sondern von ihren Fehlern und Lernerfahrungen berichtet haben. Natürlich sind auch gute Fachinformationen und Methoden wichtig. Dieses Feedback zeigt aber, wie gut es tut, zu hören, wie andere mit ihren Fehlern umgegangen sind und was sie lernen konnten.

Fehlerfreundliches Üben
Im Fachverband Coaching, dem wir angehören, gibt es ein »Schlagwort«, das unser Thema beschreibt: »Das fehlerfreundliche Üben.« Damit ist eine Wertschätzung und gleichzeitig Ermutigung ausgesprochen. Ich darf Fehler machen, weil sie zu meinem Übungsprozess gehören. Das obige Zitat von Albert Einstein spricht das genau an. Etwas Neues machen erhöht die Chance, dass ich Fehler begehe. Fehlerfreundliches Üben meint, dass Fehler ermutigend ausgewertet werden können und ich sie nicht wiederholen muss. Ich habe daraus gelernt und konnte in etlichen Fachbereichen wachsen.

Wachstum ist etwas Lukratives. Vor Jahren hörte ich von einem Freund seine Lebensdevise, der ich mich uneingeschränkt angeschlossen habe:

Ich will nicht der Alte bleiben. Wenn jemand in einem Jahr zu mir sagt, dass ich mich nicht verändert habe, ist bei mir etwas falsch gelaufen.

Aus Fehlern lernen
Aber Wachstum heißt auch, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Ich meine damit auch Emotionen und Persönlichkeit. Als eher dominante Persönlichkeit war mein Fehler, negativen Emotionen wie lieblos formulierten Anforderungen, Kritik oder auch Aggressivität einen Raum zu geben. Beziehungen litten darunter sehr. Ich lernte, dass jede Persönlichkeit (auch dominante) angemessene und gute Seiten hat, aber dass sie auch negative Seiten hat, die Beziehungen belasten. In Ehe und Familie haben diese Reaktionen die Beziehung zu meiner Frau und zu den Kindern belastet. Durch Analyse und ehrliches Feedback durfte ich Fehler meiner Persönlichkeit und meines Verhaltens erkennen und nicht wiederholen, sondern wachsen. So habe ich selten gehört, dass ich ganz der Alte geblieben bin. Ich bin auch sehr froh, dass viele Menschen, mit denen ich heute eine wert volle Verbindung habe, mich nicht in meinen Jahren zwischen 20 und 30 kennengelernt haben.

Fehler, die keine Fehler und doch falsch sind
Ich erinnere mich besonders an eine Situation. Ich hatte mir vorgenommen, gemeinsam mit Mitarbeitern einen Prozess zu beginnen, der meines Erachtens notwendig war. Viele waren anderer Meinung und so war ich bereit, diesen »Fehler« offen zuzugeben und eine andere Entscheidung zu treffen. Ich habe dabei gelernt, dass es auch Fehler gibt, die augenblicklich Fehler sind, und dennoch nicht falsch sein müssen. Mein Lernprozess war, dass es auch auf den richtigen Zeitpunkt ankommt. Das Zugeben dieses Fehlers brachte mir Achtung und Dankbarkeit ein. Im Beruf, der Ehe und in der Familie wie auch in anderen Beziehungen authentisch und lernbereit zu sein, macht Fehler zu Freunden.

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