… und wenn doch? Wie wir als Paar nach dem Ehebruch weiterleben konnten.
Wir hatten nie gedacht, dass das einem von uns passieren konnte, und nun war es doch geschehen. Wir hatten uns ewige Treue gelobt, und ich, der Ehemann, hatte die Ehe gebrochen, war untreu geworden.
Er: Wenige Wochen vorher hatten wir unser erstes team-f Eheseminar besucht. Ein älteres Paar aus der Gemeinde hatte uns empfohlen, »doch mal etwas für unsere Ehe zu tun«. Das hatten sie nicht zum ersten Mal getan, und wir hatten uns damals gefragt, ob unsere Ehe nach außen hin tatsächlich so mies aussah …
Wir waren neun Jahre verheiratet, unsere Kinder noch nicht in der Schule, aber insbesondere ich hatte – auch beruflich bedingt – gesundheitliche Probleme. Daher hatte mein Arzt eine Kur vorgeschlagen, und meine Krankenkasse hatte sie bewilligt. Das wollten wir als Familie nutzen, um parallel auch Urlaub zu machen. Daher sollte ich nach anderthalb Wochen Frau und Kinder nachholen und am Kurort einquartieren.
Zu Beginn der Kur lernte ich einige Männer meines Berufsstandes und Alters kennen, und so zogen wir nach den täglichen Anwendungen los und machten zahlreiche Bekanntschaften. Obwohl sich mir unendlich viele Warnhinweise in den Weg stellten – oder von Gott gestellt wurden – überfuhr ich sehenden Auges sämtliche roten Ampeln und ließ mich für einige Tage auf ein Verhältnis mit einer Frau ein.
Nachdem es zum Äußersten gekommen war, wurde ich schlagartig wach und stürzte in ein Gefühlschaos. Dies reichte von Scham über Trauer, Selbstvorwürfe und Selbstmitleid bis hin zu Ängsten vor einer Trennung von meiner Ehefrau und dem Verlust der Kinder. Sogar Suizidgedanken überkamen mich.
Eins wusste ich sofort: Ich werde es meiner Frau beichten müssen!
Also fuhr ich nach Hause zu meiner Familie, die auf gepackten Koffern saß, um mit mir am nächsten Morgen in den Kurlaub zu starten, zurück an den Ort des Geschehens. Noch am Abend, nachdem die Kinder im Bett waren, offenbarte ich mich unter Tränen und tief beschämt meiner Frau.
Sie: Ich reagierte erstaunlich sachlich und machte ihm keine Vorwürfe. In den nächsten Tagen und Wochen entpuppte ich mich als die Starke und Tröstende, die auch die Entscheidungen für die nächsten Schritte traf: Wir fuhren zwar in den Kurort, aber wir ließen meine Mutter nachkommen, die sich dann um unsere Kinder kümmerte, ohne nach dem Grund zu fragen.
Mein Mann und ich hatten eine vermeintlich gute Zeit, um zu zweit das Geschehene »aufzuarbeiten«. Ich wuchs dabei nahezu über mich hinaus, gab ihm viel Trost und Liebe.
Das deckte erstmal viel zu – leider, wie wir im Nachhinein sagen mussten.
Unsere »Verarbeitung« bestand anfänglich aus Verdrängung und Verleugnung, um Schmerz zu vermeiden, weiter funktionieren zu können und das Zusammensein erträglich zu machen, aber das wussten wir damals noch nicht.
Er: Ich hatte den Seitensprung und die beteiligte Frau nicht wirklich »aus dem Kopf«, hatte noch Erinnerungen an sie, die ich noch eine Zeit lang irgendwie als »schön und angenehm« empfand. Wie diese Erinnerungen behielt ich auch noch heimlich Briefe und Fotos und telefonierte gelegentlich mit ihr, auch als ich schon wieder zu Hause war und arbeitete. Ich hatte den Eindruck, dass ich von dieser Frau innerlich nicht wirklich loskam. Das machte mir doppelt Not, und so offenbarte ich mich einem Leiterpaar unserer Gemeinde.
Die haben mir dann zuerst mal so richtig »den Kopf gewaschen«, mein Verhalten beim Namen genannt und dann für ein Ende der Verbindung mit der Frau gesorgt. Ich machte mich ihnen in der Sache rechenschaftspflichtig, erzählte alles, was gewesen war, und übergab ihnen alle Erinnerungsstücke, die sie dann in meinem Beisein und mit meinem Einverständnis verbrannten. Ich konnte meine Sünden beim Namen nennen und um Vergebung bitten sowie der Frau, die sich mit mir eingelassen hatte, auch vor Gott vergeben.
Im Prinzip war es das erste Mal, dass ich durch dieses Paar so etwas wie Seelsorge erfuhr.
Dadurch kam ich mir erstmals ein Stück selbst auf die Spur, hinter fragte mich und erkannte den Bedarf nach Aufarbeitung meines Lebens: Wie und wodurch hatte es soweit kommen können?
Sie: Mein Mann und ich haben uns in der Folge auf bestimmte Absprachen verständigt, die dabei helfen sollten, zerstörtes Vertrauen wiederherzustellen und das Handeln meines Mannes vor mir zu jeder Zeit transparent zu machen. So durfte ich ihn immer und unangekündigt anrufen, nach seinen Gefühlen und Gedanken fragen und z. B. sein Handy kontrollieren.
Er: Es entwickelte sich in der Folge das Bedürfnis, dass ich diesen Schaden meiner Frau wiedergutmachen wollte. Ich überraschte sie mit Geschenken, führte sie zum Essen aus und organisierte hinter ihrem Rücken, zum Teil in heimlicher Absprache mit ihrem Arbeitgeber und meiner Schwiegermutter, eine Urlaubsreise ans Meer nur für uns als Paar, ohne Kinder.
Sie: Was der Ehebruch bei mir, der vermeintlich starken Frau, mittel und langfristig ausgelöst hatte, wurde kaum thematisiert, und ich blieb viele Jahre mit diesen Verletzungen und den daraus resultierenden Gefühlen alleine. Im Laufe der Zeit spürten wir in Alltagssituationen immer wieder, dass das Vertrauen zueinander tief zerstört war. Noch Jahre später holten uns Erinnerungen und unverarbeitete Verletzungen aus dieser Zeit ein, die wir nicht immer mit dem Ehebruch in Verbindung bringen konnten.
Dies führte dazu, dass wir nach mehreren Jahren endlich sowohl einzeln als auch als Paar Seelsorge und Beratung in Anspruch nahmen, um Vertrauen wiederherzustellen und eine gemeinsame Zukunft gestalten zu können.
Vor allem das Bewusstsein, dass es zerstörtes Vertrauen zu betrauern und verschmerzen gilt, um neu aufbauen zu können, war entscheidend und lebensverändernd.
Diese Schritte wären viel eher nötig gewesen und hätten uns viel Kummer und Bitterkeit ersparen können.
Unseren Kindern haben wir erst davon erzählt, als sie in einem Alter waren, wo sie es fassen konnten. Wir waren damals gebeten worden, unsere Geschichte zu erzählen, und das kam für uns ohne Wissen und Einverständnis unserer Kinder nicht infrage.
Beide: Ein Vierteljahrhundert nach unserer Ehekrise können wir uns beide inzwischen unverkrampft an diese Episode erinnern, ohne dass noch innere Vorwürfe, (Selbst-)Verdammnis oder Ängste eine Rolle spielen. Vielmehr haben wir das Erlebte in unsere Paargeschichte in der Form integriert, dass wir dazu stehen können und das Erlebte zu unserer Historie gehört.
(Das Ehepaar ist der Redaktion bekannt und seit über 30 Jahren verheiratet.)