Verantwortung gelingt nur gemeinsam!
– von Heike Siegling
Wie oft hast du das auch schon gedacht oder gesagt? Ich natürlich auch… Könnte da nicht die Schule…? Eigentlich müssten doch die Lehrer…! Diese Satzanfänge machen im Hinblick auf den Medienkonsum ein ganzes Feld von Herausforderungen, Anforderungen, Motivation und Hilflosigkeit deutlich.
Die Schule in Deutschland steht seit einiger Zeit in einem Umbruch, der ihr sowohl in pädagogischer, finanzieller, als auch in personeller Hinsicht zu schaffen macht: die Digitalisierung. Dazu wollen die Kultusministerien Mittel zur Verfügung stellen, die vor allem die Anschaffung digitaler Ausstattung ermöglichen sollen. In Bayern bemüht man sich außerdem, durch eine Fortbildungsinitiative Lehrerinnen und Lehrer zu unterstützen, digitale Medien im Unterricht rechtlich korrekt und pädagogisch effektiv und sinnvoll zu nutzen.
Es knirscht in den Kollegien – vor allem an den Reibungsflächen zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Stimmen werden laut, für die beantragten Tablets seien die Mittel nun doch nicht da und die notwendigen Fortbildungen forderten Zeit, die zwischen Korrekturen, Unterrichtsvorbereitungen und einer Vielzahl von Sonderaufgaben kaum vorhanden sei. Außerdem erfordern digitale Unterrichtsmethoden mit eingeschränkten Mitteln erst einmal viel mehr Aufwand und Mühe, bis der Gewinn wirklich nutzbar wird. Nicht allen Kolleginnen und Kollegen fällt das leicht. Dennoch gibt es eine große Motivation und Einsatzbereitschaft von vielen.
Denn die Notwendigkeit ist in einer digitalen Welt offensichtlich. Es geht gar nicht anders, als dass es unser Ziel sein muss, Kinder und Jugendliche nicht nur mit Fähigkeiten, sondern auch mit Urteilsvermögen auszustatten, um mit digitalen Medien kompetent und gut umzugehen. Eine Herausforderung, der sich die Schule trotz Widrigkeiten gerne stellt.
Das ist die eine Seite der Medaille:
Gerne sagen Menschen unseres Alters, Jugendliche seien uns im Bereich der Mediennutzung eh weit voraus, würden den Umgang damit viel besser beherrschen als unsereiner und könnten uns noch beibringen, wie man mit den modernen Medien umgehe. Das stimmt zwar, aber nur sehr begrenzt und nur für den technischen Aspekt der Angelegenheit.
Heutige Kinder und Jugendliche beherrschen den Umgang mit Medien besser als jede Generation zuvor – das stimmt zwar, aber nur sehr begrenzt – und betrifft lediglich den technischen Aspekt der Mediennutzung.
Denn das ist die andere Seite der Medaille:
Vor allem jüngere Schülerinnen und Schüler sind vielfach mit der Fülle an Nutzungsmöglichkeiten, die ihnen zunächst vor allem das Handy bietet, völlig überfordert. Mit dem Verlassen der Grundschule bekommen die meisten von ihnen ihr erstes Smartphone geschenkt, viele schon früher. Es öffnet sich dadurch eine Welt totaler Kommunikation, Information und natürlich auch Manipulation. Das zu regeln und zu steuern ist für Eltern eine riesige Herausforderung.
Wenn Kinder die 5. Klassen ihrer entsprechenden Schulform erreichen, bringen sie meist schon ihre Erfahrungen mit Klassenchats, anderen Chatgruppen und diversen Apps und Spielen mit. Wer nicht, hat den Anschluss in den ersten Schulwochen schnell gefunden. Auch Eltern organisieren sich in ihren Gruppen, denn schließlich ist das auch wunderbar praktisch. Vergessene Hausaufgaben können ausgetauscht werden, Informationen, die nicht alle mitbekommen haben, werden weitergegeben, kranke Kinder können mit Material versorgt werden, usw.
Schnelle Überforderung
Vergessen wird dabei, dass die Nutzung beispielsweise von WhatsApp erst ab 16 Jahren vorgesehen ist. Das hat offenbar seinen Grund. Oft dauert es nämlich leider nicht sehr lange, bis die ersten Kinder klagen, sie würden im Chat beleidigt oder der Klassenchat bilde kleine Gruppen oder Untergruppen, manchmal nur, um über andere zu lästern. Selbst wenn das nicht der Fall ist, werden Kinder häufig überschwemmt mit Nachrichten der anderen, die meist völlig bedeutungslos sind und die Betreffenden überfordern. Es ist keine Seltenheit, dass nach dem Training im Turnverein sich plötzlich 30 Nachrichten und mehr im Chat befinden.
Mit der Sorge, irgendetwas zu verpassen, wird es so immer schwieriger, das Handy beiseite zu legen und der Stress mit den Eltern, die sich bemühen, feste Handyzeiten festzulegen, braut sich am Horizont zusammen.
Dazu kommen Apps, die Daten abfragen, die wir eigentlich nicht preisgeben wollten und zahlreiche angesagte Spiele, die viel Zeit beanspruchen und deren Inhalte häufig fragwürdig sind. Locker in die Klasse gefragt, wer wie lange am Tag daheim am Handy oder Tablet spielt, kommen bei zahlreichen Kindern schnell mehrere Stunden täglich zusammen. Darüber hinaus ermöglicht der Zugang ins Internet den Zugriff auf gewalttätige oder pornografische Inhalte, die sich Zutritt in unsere Kinder- und damit auch Klassenzimmer verschaffen. Nicht selten sind schon entsprechende Bilder oder Clips in Klassenchats gelandet, die Kinder traumatisieren können und auch polizeiliche Ermittlungen notwendig machen. Erschreckenderweise sind vor allem die fünften bis siebten Jahrgangsstufen davon betroffen. Mag sein, dass es daran liegt, dass vor allem jüngere Kinder besonders schockiert sind und ihren Eltern oder Lehrkräften davon erzählen.
Da sollten doch mal die Lehrer…?
Ja. Und das tun sie auch – in täglichen Gesprächen, bei Elternabenden, im Unterricht, bei Projekten usw. Lehrerinnen und Lehrer können auf diese Weise eine wertvolle Unterstützung bieten für Regeln, die zuhause gelten. Frag mal nach, ob in der Klasse deines Kindes über Chatregeln gesprochen wurde und setze diese daheim ebenfalls durch. Jugendliche verhalten sich häufig so, als sei ein Blick in ihr Handy wie ein Übergriff auf ihr Tagebuch. Davon solltest du dich nicht einschüchtern lassen.
Oft kann es hilfreich sein, ein Handy nicht zu verschenken, sondern nur zu verleihen.
Dann ist es nämlich einfacher, immer wieder darauf zuzugreifen, Inhalte zu kontrollieren, es abends in die Ladestation außerhalb des Kinderzimmers zu befördern, Nutzungszeiten zu vereinbaren oder andere Vereinbarungen zu treffen. Wertvolle Tipps sind z. B. auf folgender Webseite zu finden: www.klicksafe.de.
Wenn Eltern und Schulen gemeinsam an einem Strang ziehen, sollte es auch uns gelingen, einen Konsens darüber herzustellen, wie wir Kinder und Jugendliche schützen und gleichzeitig befähigen, die rasanten Möglichkeiten moderner digitaler Medien sinnvoll und kompetent zu nutzen.