David Kadel ist deutscher Fernsehmoderator, Kabarettist, Autor und Berater. In seinem Buch »Wie man Riesen bekämpft« hat er insgesamt 35 wahre Mutmach-Geschichten von bekannten Persönlichkeiten wie Samuel Koch, Heiko Herrlich, Britta Hofmann und Matze Ginter gesammelt, die Kinder und Jugendliche in ihren unterschiedlichsten Herausforderungen motivieren sollen. In den Geschichten erzählen Prominente und Nicht-Prominente davon, wie sie in ihrem Leben bereits vor große Schwierigkeiten gestellt wurden (Unfall, Krankheit, Verletzung, Schicksalsschläge…) und wie sie diese Riesen bekämpft haben. Mit team-f sprach David über seine Arbeit, Christsein, Social Media und warum er kein Influencer sein möchte. Das Interview führte Tanja Hutschenreuter.
team-f: Du arbeitest als Coach nicht nur im Profisport oder mit Managern, du hast auch viel mit Jugendlichen zu tun. Gab es ein persönliches Erlebnis in deinem Leben, warum du gerade diesen beruflichen Weg eingeschlagen hast?
David: Ich hatte jede Menge schlechter Lehrer, die sich nicht für uns interessiert haben und uns Kinder quasi als Feindbild gesehen haben. Als junger Kerl habe ich dann den Film »Club der toten Dichter« gesehen – das war der erste Film, der mich in meinem Leben wirklich inspiriert hat. Da ist dieser Lehrer John Keating, gespielt von Robin Williams. Es hat mich sehr beeindruckt, wie er mit Menschen umgeht und es schafft, seine Schüler für bestimmte Dinge zu begeistern, eine Leidenschaft in ihnen zu wecken und ihnen Mut zu machen. Dabei sieht er jeden einzelnen und liebt seine Schüler wirklich. Das war mit ein Grund, warum ich ursprünglich mal Lehrer werden wollte und dann auch auf Lehramt studiert habe. Das Studium habe ich zwar abgebrochen, aber als Coach bin ich ja auch eine Art Lehrer. In meinem Job treffe ich auf viele Jugendliche, die von ihren Eltern zu mir geschickt werden. Das sind beispielsweise welche, die beim FC Bayern im Internat sind oder junge Tennisspieler, die Profis werden wollen. So bin ich am Ende doch in meiner Berufung gelandet. Man kann sagen: Ein guter Coach ist auch ein guter Lehrer.
team-f: Das ist ja dein Job. Aber du bist auch als »Mutmacher« unterwegs. Was machst du da?
David: Das Mutmach-Projekt ist schon etwas ziemlich Verrücktes. Ich habe in den 90er Jahren angefangen, meine ersten Filme und Bücher zu publizieren – als Künstler lebst du ja auch ein bisschen davon. Dann habe ich das Mutmach-Buch »Wie man Riesen bekämpft« geschrieben. Darin erzählen Menschen in 35 Geschichten, wie sie in ihrem Leben einmal Riesen gegenüberstanden und diese bekämpft haben. Erst habe ich eine Kinderversion geschrieben. Eine Erwachsenenversion ist dann entstanden, als klar wurde, dass Corona echt was mit unserer Gesellschaft macht. Da sind ganz viele Ängste in den Menschen hochgekommen und auch nicht weggegangen. Jeden Tag lesen wir so viel Zeug, das uns nicht gut tut. Und deswegen habe ich mich als Christ gefragt: Wer setzt dem eigentlich etwas entgegen?
All diese Kinder und Jugendlichen, aber auch Erwachsene, die teilweise neun Monate auf einen Termin beim Psychotherapeuten warten. Die Zahlen der psychischen Erkrankungen sind in die Höhe geschossen. Mit dem Mutmach-Projekt versuche ich, dem etwas entgegenzusetzen. Ich fahre zum Beispiel mit Fußballprofis wie Joshua Kimmich (FC Bayern), Sebastian Kehl (Borussia Dortmund) oder Marco Rose (Trainer bei RB Leipzig) in Kinder- und Jugendpsychiatrien oder in Kinderkrebsstationen. Da machen wir dann zusammen ein Mutmach-Event und am Ende bekommt jeder das Mutmach-Buch geschenkt. Das ist das schönste Projekt, das ich je gemacht habe. Das Ganze macht für mich einfach Sinn.
Wir haben einen VW-Bus, der ist beklebt mit »Wie man Riesen bekämpft« und vorne drauf steht »Mutmach-Tour« und die Leute sprechen mich ständig drauf an und fragen: »Können Sie mir auch mal Mut machen?« Dann kriegen sie einfach so auf dem Parkplatz ein Mutmach-Buch geschenkt und freuen sich total, dass da mal jemand ist, der ihnen Mut macht.
team-f: Hattest du auch Riesen in deinem Leben, die du bekämpfen musstest?
David: Jede Menge Riesen gab es. Ich heiße ja auch David, da liegt es mir scheinbar in der Wiege, dass ich gegen Goliath kämpfen muss. Meine Eltern kommen aus dem Iran und meine Mutter ist zum Christentum konvertiert und hat in Deutschland auch in der Kinderkirche mitgearbeitet. Ich bin also christlich erzogen worden und die Bibel hat bis heute eine wichtige Bedeutung für mich. Ich liebe dieses Buch, lese es jeden Tag und drucke mir Bibelverse aus, die ich in der Wohnung an die Wände hänge. Das ist ein wichtiges Fundament für mich, um meine Riesen zu bekämpfen.
In meiner Kindheit war das beispielsweise, dass wir als Perser in dem kleinen 10.000-Einwohner-Dorf, in dem wir lebten, absolute Exoten waren. Außerdem bin ich ohne Vater aufgewachsen. Mir ist erst später klar geworden, was es bedeutet, wenn du Ende der 60er Jahre als Ausländer in so einem kleinen Dorf aufwächst. Wir hatten dort keine Familie, es waren nur meine Mutter, meine zwei Brüder und ich. Komplett entwurzelt – da war nichts mit Heimat und zurück in den Iran konnten wir natürlich auch nicht. Als ich 17 war, ist meine Mutter dann ausgezogen und ich stand auf einmal mit einer eigenen Wohnung da.
Aber mein Glaube und die Kinderkirche haben mir damals schon viel bedeutet. Bei meiner Konfirmation habe ich damals einen Vers gezogen, da hieß es: »Ist Gott für dich, wer kann gegen dich sein?« Das ist natürlich die beste Unterstützung gegen jeden Riesen, den du in deinem Leben hast, wenn du weiß: Gott ist auf meiner Seite, dann wird es schon nicht so schlimm enden.
Ich bin im Rückblick sogar dankbar für manches, was schwer war, weil ich dadurch Resilienz gelernt habe. Wäre ich jetzt sehr behütet aufgewachsen und mir wären alle Widerstände aus dem Weg geräumt worden, wäre ich wohl ein anderer Mensch geworden. So musste ich früh lernen, mich auf Gott zu verlassen. Ich hatte als Kind schon immer ein sehr großes Gottvertrauen. Not lehrt beten, sagt man ja. Ich habe immer diese Hand Gottes über meinem Leben gespürt.
team-f: Du bist auch in den sozialen Medien aktiv und bei deinen Posts auf beispielsweise Instagram geht es viel um dieses »schönste Projekt«, wie du es vorhin genannt hast. Ist das Projekt mit ein Grund, warum du auf Social Media aktiv bist?
David: Ich glaube, wenn ich nicht mit all meinen Projekten selbstständig wäre (Mutmach-Projekte, Filme mit Fußballern, Bücher, Publikationen …), dann wäre ich wahrscheinlich gar nicht bei Instagram oder ähnlichem. Ich empfinde das teilweise als zu viel Ablenkung bzw. Zeitverschwendung. Das ist die größte Pest unserer Zeit und ganz schlimm für uns alle. Kaum ein junger Mensch weiß überhaupt noch, wer er ist, was in ihm steckt und welche Berufung Gott in ihn gelegt hat. Ich habe das Gefühl, wir sind begraben unter so vielen Schichten von Ablenkung und Reizüberflutung.
Deswegen nutze ich Social Media vor allem für die Reichweite, um Menschen auf das Mutmach-Projekt hinzuweisen, weil das einfach ein Stückweit in meiner DNS ist. Ich bin ein Mutmacher und habe quasi darin meine Identität gefunden, dass ich Menschen inspiriere und sie in dem, was ich tue, berühren möchte. In dieser Gesellschaft werden wir viel zu wenig berührt. Alles ist stumpf geworden und es gibt zu viel Angstmacherei. Daher nutze ich Instagram und Facebook, um eine Message rauszugeben. Ganz gezielt und bewusst, um Menschen zu sagen: »Hey, du bist wertvoll! Ich möchte dir Mut machen. Da wartet ein tolles Leben auf dich. Finde zu dir selbst, finde den Glauben in Gott und entfalte dich!«
team-f: Der christliche Glaube ist ein wichtiger Teil deines Lebens. Gibst du deine christlichen Werte auch in Social Media weiter?
David: Ich poste häufiger einen Bibelvers oder mache ein Foto von der Andacht, die ich gerade gelesen habe. Manchmal frage ich mich auch, ob die Leute das eventuell als zu viel empfinden. Ich will ja auch niemanden belästigen. Aber immer, wenn ich darüber nachdenke, dann mache ich es gerade extra nochmal und denke, die Menschen da draußen brauchen wirklich ein bisschen mehr von Gottes Freude in ihrem Leben. Es ist alles so ernst geworden in Deutschland, so verkopft, verkrampft, rechthaberisch und es gibt so wenig Liebe, so wenig Freude. Deswegen werde ich niemals müde, meinen Glauben zu teilen – denn da geht es ja um die Freude!
Einer meiner Lieblingsverse ist: »Die Freude am Herrn ist meine Stärke.« Das ist mein Glaube in einem kurzen Satz erklärt. Authentisches Christsein hat meiner Meinung nach immer mit Freude zu tun. Und mit Liebe. Bei Christen musst du manchmal doppelt hingucken. Da steht zwar »Jesus« auf dem Aushängeschild, aber da ist keine Liebe. Manche wollen sich einfach nur über dich stellen und dich verurteilen. In vielen Gemeinden wird Dogma und Gesetzlichkeit gelehrt. Aber das reicht nicht. Wir müssen uns kümmern. »Folge mir nach« heißt auch »Kümmere dich um die Kaputtesten«!
team-f: Ist es auch ein Anliegen für dich, bei Social Media ein Zeugnis zu sein, wie man Christsein anders leben kann?
David: Ja, definitiv! Es ist jetzt nicht unbedingt das Hauptanliegen, aber es ist mir auch wichtig, »anstößig« zu sein. Auch das lerne ich von meinem Vorbild Jesus. Er ist anstößig. Sein erstes Wunder war, auf einer Hochzeit aus Wasser Wein zu machen. Das finden auch heute noch manche Menschen komisch.
Ich mag das Zitat von Johannes Rau: »Nur wer anstößig ist, kann auch etwas anstoßen.« Ich möchte eben auch Dinge anstoßen und ein neues Bewusstsein dafür schaffen, dass man sich fragt: Was ist eigentlich Christsein? Ich glaube, dass die Leute nicht unbedingt wissen, was Christsein heißt, nur weil sie in die Kirche/Gemeinde gehen. Christsein ist etwas Heftiges. Die Nachfolge Jesu heißt, dass dein Ich, dein Ego gestorben ist. Wenn du Interesse an der Welt hast, dann hast du ein Problem mit Gott. Das heißt nicht, dass wir uns nicht freuen sollen über die Welt. Aber es bedeutet: Es funktioniert nicht, dass du Jesus nachfolgst, aber gleichzeitig noch 50 andere Dinge in deinem Leben haben willst, die Priorität Nummer 1 haben. Du musst dich entscheiden.
Deswegen glaube ich, dass Christsein nicht unbedingt etwas Populäres ist in unser Lustgesellschaft, die immer nur den nächsten Kick sucht. Und ich stecke da mein Ego extra ganz tief in die Tasche, damit Gott strahlen kann. Denn ich als David Kadel habe nichts zu sagen, ich bin in dem Fall ganz unwichtig.
team-f: Gibt es Grenzen für dich, was du beruflich oder privat bei Social Media postest?
David: Unser Kind kommt nicht vor und auch meine Frau taucht jetzt nicht so viel auf. Ab und zu gibt es mal ein Foto, wenn wir im Konzert oder Stadion sind.
Beruflich denke ich manchmal, da gibt es eine Grenze, dass ich nicht zu viel verraten möchte. Als Künstler willst du ja auch nicht, dass jeder bei dir abschreibt oder deine Geheimnisse für sich in Anspruch nimmt. Deswegen ist das auch immer eine Gratwanderung: Was postest du, um Menschen zu inspirieren, ohne zu viel von deiner Art preiszugeben.
team-f: Social Media kostet ja auch viel Zeit. Wie viel investierst du da, um aktiv zu sein? Und würdest du dich als »Influencer« bezeichnen?
David: Wenn ich jeden zweiten oder dritten Tag mal was poste, dann sind das vielleicht fünf Minuten. Bild, Text und fertig. Ich bin kein »Influencer«, der den ganzen Tag am Handy rumhängt, um zu gucken, ob noch mehr Follower reingekommen sind. Da trete ich auch ganz klar von zurück und empfinde das in vielen Fällen auch wirklich als krankhaft.
Vieles, was jungen Menschen in Social Media suggeriert wird, ist wirklich ungesund. Man lebt dort in einer künstlichen Bubble und »muss« alles tun, um mehr Klick-Zahlen zu generieren in Form von Followern, Likes unter einem geposteten Mittagessen oder dem Foto mit den tollen Muskeln. Man kann gar nicht mehr genießen und einfach sein, weil man ständig an seinen Account denkt. Da muss man echt sagen: Achtung, Leute!
In meinem Kabarett-Programm, aber auch in Coaching-Vorträgen sage ich oft: Wenn man Zigaretten kauft, sind da immer diese schrecklichen Bilder drauf, die abschrecken sollen. Eigentlich müsste man auch auf jedes Smartphone einen Totenkopf oder ähnliches drucken und darunter schreiben »Dieses Gerät könnte dein Leben komplett versauen!« Ich warne Menschen da und sage auch zu Eltern, dass sie ihren Kindern beibringen sollen, dass das nicht das echte Leben ist, sondern fake.
Da nennt sich jemand »Influencer«, also Einflussnehmender, aber hat eigentlich nichts zu sagen, außer: Guck mal, mein neues Auto, meine Muskeln, mein Nagellack, mein Smoothie, mein Mindset… Das ist einfach nur oberflächlich und vermittelt Kindern und Jugendlichen ein ganz falsches Bild.
Mir hat mal jemand gesagt: »Ich bin kein Influencer, ich bin Sinnfluencer!« Ich möchte, dass das, was ich tue und was ich poste, für Menschen einen Sinn stiftet. Sicherlich gibt es auch ein paar Influencer da draußen, die etwas Gutes zu sagen haben, aber die finde ich bei Instagram irgendwie nicht. Also staune ich über Leute, die 1,5 Millionen Follower haben und nur Muskeln, Bikinis, Autos und Reichtum posten, aber absolut keine Message dahinter haben.
Kürzlich hat der Sänger Ed Sheeran das mal hinterfragt. Er meinte, ihn kotze Instagram an, weil er dort immer nur wunderschöne Bilder von Menschen sieht, die immer lachen und strahlen und vorgeben, dass alles toll ist. Und er sagt, dass Problem dabei sei, dass wir nicht von denen lernen. Denn du lernst eigentlich nur von Menschen, die auch den Mut haben, über Zerbruch zu sprechen, über Krisen, über den Kampf mit ihren Riesen. Ich finde toll, dass er gesagt hat, dass er eine Sehnsucht danach hat, dass Leute auch einfach mal etwas Echtes posten und sagen: »Ey, ich habe gerade echt ein Problem in meinem Leben und verrate euch, wie ich damit umgehe.« Das sind für mich echte Influencer! Die berühren die Menschen da draußen!
Deswegen würde ich mich auch nie als Influencer bezeichnen, höchstens als Sinnfluencer. Wobei ich mich eigentlich auch eher als Künstler sehe. Ich versuche, Menschen durch meine Kunst zum Nachdenken zu bringen. Kunst soll ja im Idealfall Menschen kurz aus ihrem Leben rausreißen und ihnen etwas Schönes geben.
Ich werde öfter von Leuten angesprochen, die es gut meinen, dass ich bei dem, was ich tue, eigentlich jeden Tag ein Video oder ähnliches posten müsste. So würde ich mehr Follower kriegen. Aber meine Followerzahlen bei Social Media sind mir eigentlich egal. Ich würde das Gleiche posten, wenn ich nur zehn Follower hätte.
Eigentlich sind wir ja auch im »echten« Leben sowieso die ganze Zeit unter Beobachtung. Und wenn du etwas auf dem Herzen hast, dann kannst du auch an der Supermarktkasse, wo sich gerade zwei streiten, einen »Post« machen, indem du dich für denjenigen einsetzt, der gerade Probleme bekommt. Oder in der S-Bahn kannst du der einzige sein, der hilft, während alle anderen nur auf ihr Handy starren und nicht den sehen, der gerade Atemnot hat. Das alles ist ein »Post«. Da hast du deine Follower. Und dann kommen hinterher vielleicht fünf Leute zu dir und sagen: »Danke, dass Sie sich eingesetzt haben.« So berührst du Leute.
Wenn du wirklich was zu sagen hast, brauchst du eigentlich gar kein Handy. All diese Leute, die dir bei Social Media ein Like geben, die kennst du oft ja gar nicht. Ist es nicht viel schöner, ein echtes Vorbild zu sein und in dieser Welt auch mal Zivilcourage zu zeigen? Oder Menschen Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken? Und einfach mal von sich aus Hilfe anzubieten? Ohne direkt wieder auf Instagram darüber zu posten, um künstliche Anerkennung zu bekommen.
Ich möchte auf Instagram keine Werbung für mich machen. Die Leute sollen nicht Fan von mir werden, sondern von Gott! Wenn einer also ein paar Posts von mir gesehen hat und mir daraufhin schreibt, er habe sich wegen mir eine Bibel gekauft, das ist es, worum es mir geht: pure Lebenshilfe. Den Menschen da draußen Werkzeuge in die Hand zu geben, damit sie ein Leben mit viel mehr Leichtigkeit und Begeisterung führen können!