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Alleinsein – Glück oder Unglück

– von Christian Siegling

Alleinsein ist zunächst einmal ein Zustand, der weder positiv noch negativ zu werten ist. Im Gegensatz zur Einsamkeit, die in jedem Fall negative Emotionen zur Folge hat. Wie können wir Alleinsein schätzen und für uns positiv nutzen? Darauf möchte ich im Folgenden eingehen.

In einem der letzten team-f Podcasts (Folge 145 – »Single-Sein & Verheiratet-Sein – von Glück, Sex & Werten«) war unsere Social-Media-Spezialistin Simona Pfeil im Gespräch mit Hanna Kunze zu u. a. diesen Fragen: Empfinden Singles ihr Alleinsein als entspannt oder anstrengend? Sind sie glücklicher oder unglücklicher als Menschen, die in einer Partnerschaft leben? Welche Werte haben beide? Wie fühlt sich das Leben an? Interessant fand ich, dass Hanna Kunze (sie ist Single) die Aussage machte, sie habe das Gefühl, dass Singles von vielen verheirateten Menschen als benachteiligt oder bemitleidenswert be- oder möglicherweise sogar verurteilt werden.

Viele Singles empfinden das Alleinsein nicht als Gewinn
Laut einer Umfrage der Online-Partnervermittlung »Elite Partner« wäre es für die Mehrheit das Größte, einen Partner oder eine Partnerin zu finden. Rund 88 Prozent von fast 8000 befragten Singles sind davon überzeugt, dass sie nichts so glücklich machen könnte wie eine Liebesbeziehung.

Auch das Gegenbeispiel kommt in der Tat zu einem ähnlichen Ergebnis: In einer weiteren Studie gibt die überwiegende Zahl der deutschen Paare an, dass sie durch ihren Partner glücklicher oder sogar viel glücklicher sind, als sie es ohne ihn wären. Nur vier Prozent glauben, dass sie als Single glücklicher durchs Leben gehen würden. Über 90 Prozent der Vergebenen haben keinen Grund zur Beanstandung ihres Glückes, dagegen würden sich nur 69 Prozent der Alleinstehenden als glücklich bezeichnen.1

Diese Ergebnisse spiegeln die Sehnsucht nach einem Gegenüber wider und sind mit der Erwartung verbunden, dass der Partner für ein gewisses oder vielleicht auch vollständiges Lebensglück verantwortlich ist.

Doch ist es so, dass (m)ein Partner für mein Lebensglück verantwortlich ist?
In unserem Paarseminar »Meine Wünsche, deine Wünsche« gehen wir diesem Mythos nach und kommen zum Ergebnis, dass eine fordernde Haltung dem Partner gegenüber eher für Nicht-Erfüllung der Bedürfnisse und fürs Unglücklichsein, als für ein entspanntes Miteinander, sorgt. Ja, es ist gut, sich in einer Partnerschaft über die gegenseitigen Wünsche und Bedürfnisse auszutauschen. Mit manchen der vorgetragenen Wünsche ist der Partner aber schlichtweg überfordert und so können Paare lernen, dass sie ihren Partner nicht dafür verantwortlich machen können. Stattdessen sollten sie einen Weg finden, wie sie damit selbst zurechtkommen und für manche Wünsche Wege finden, wie sie diese woanders erfüllen können – und zwar ohne ihrer Ehe und ihrem Partner zu schaden und ohne Frust an ihn zu richten. So entlastet es Partnerschaften, wenn beide für ihre Bedürfnisse, mit denen der Andere schwer umgehen kann, Lösungen finden.

Zum Beispiel ist es bei meiner Frau und mir so, dass wir sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben, was sportliche Betätigung angeht. Ich powere mich gerne aus, gehe dabei an meine Grenzen und ich erliege so manches Mal der Faszination auch riskanter Outdoor-Events. Dabei haben wir uns in unserer Partnerschaft oft aneinander gerieben. Ich hatte es als persönliche Missachtung empfunden, wenn meine Frau mir signalisiert hat, dass solche Aktivitäten für sie weder machbar noch entspannend erscheinen. Auch gutgemeinte Ermutigungen meinerseits wurden da eher als destruktiv und manipulierend wahrgenommen. Meine Frau würde sich mit mir dagegen gerne nach einem Oper- oder Theaterbesuch austauschen, ob dieser oder jene Schauspieler in der jetzigen Rolle authentischer gewesen wäre oder doch in der anderen Rolle in dem Schauspiel im letzten Jahr passender eingesetzt war. Hmm, woher soll ich das denn bitte noch wissen. Da habe ich meine Grenzen…

Wir haben daher – jeder für sich – herausgefunden, dass es manche Dinge gibt, bei denen wir alleine glücklich sein können und andere, bei denen wir gerne mit anderen Menschen zusammen sind oder natürlich auch mit dem Partner.

Auch wenn wir als soziale Wesen auf ein Miteinander und Füreinander angewiesen sind, lohnt es sich, Zeiten des Alleinseins auch bewusst in den Tages- oder Wochenablauf zu integrieren und zu gestalten.

Eine wichtige Voraussetzung, damit man »Alleinsein« auch positiv empfinden kann, ist allerdings, dass man sich vergegenwärtigt, dass man das nicht aufgezwungen bekommt, sondern sich frei dazu entscheidet.

In manchen Situationen kann Alleinsein sehr entspannend sein
In sozialen Interaktionen mit anderen Menschen ist unser Gehirn mit Anspannung und Hochdruck beschäftigt, auf Reaktionen des Gegenübers zu achten, Mimik, Körpersprache und Worte wahrzunehmen, zu bewerten, ob und wie Kommunikation ankommt und gelingt, etc. Beim Alleinsein kann man sich freier fühlen und eher bei sich selbst sein. Erst kürzlich haben Studien gezeigt, dass Menschen, die viel mit anderen Menschen interagiert haben, anschließend fast immer Zeit für sich allein suchten, um wieder Kraft zu schöpfen und zu regenerieren.2

Darüber hinaus können Zeiten des Alleinseins auch für Dinge genutzt werden, die einem selbst wichtig und sinnvoll erscheinen, z. B. ein schönes Hobby oder Zeit in der Natur. In Momenten des Alleinseins kann man sich oft selbst besser spüren und wahrnehmen, weil man sich mit sich selbst beschäftigt und merkt, dass diese Zeit auch beglückend und entspannend sein kann.

In diesen Momenten sollte man versuchen, das Alleinsein als Geschenk zu betrachten.

Manche Menschen haben hier ein größeres Bedürfnis, alleine sein zu können (vor allem introvertierte Persönlichkeitstypen), andere weniger (extrovertierte Persönlichkeitstypen entspannen u. a. auch im sozialen Kontakt mit anderen Menschen). Deswegen muss die Balance zwischen Alleinsein und Zeit mit anderen jeder für sich selbst finden.

Wer allein ist, muss sich deshalb nicht zwingend einsam fühlen. Einsamkeit und Alleinsein sind verschiedene Dinge. Umgekehrt genauso: Selbst in einer Beziehung oder in Gesellschaft können Menschen sich alleine fühlen.

Übrigens helfen unsere Angebote bei team-f auch gegen das Gefühl des Alleinseins und der Einsamkeit! Ob Single oder in einer Beziehung. Wir ermöglichen euch, Hürden abzubauen, aufeinander zuzugehen, mit anderen ins Gespräch zu kommen und mit neuen Impulsen und Kontakten zurück in den Alltag zu gehen.

  1. Das zeigt eine aktuelle, bevölkerungsrepräsentative Umfrage von Parship (www.parship.de), Deutschlands größter Online-Partnervermittlung, unter rund 1.000 Bundesbürgern. https://www.parship.de/studien/parship-studie-beziehungen-machen-deutsche-gluecklich/ ↩︎
  2. gefunden bei AOK: https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/achtsamkeit/allein-sein-lernen-ein-experte-erklaert-wie-das-funktioniert/ ↩︎
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