Zusammen allein
– von Frauke Zabel
Verliebt – Verlobt – Verheiratet – Einsam?
Das passt doch nicht. Verheiratete sind doch glücklich. Man hat endlich jemanden, mit dem man zusammen durchs Leben geht, Pläne schmiedet, seine Berufung sucht und lebt. Eine wunderbare Vorstellung. Leider gelingt dies nicht in allen Partnerschaften.
Einsamkeit – wovon reden wir eigentlich
Wenn »Ich liebe dich« wie »Gib mir mal bitte die Butter« klingt, dann sticht das ins Herz. Wenn Worten keine emotionale Schwingung und Botschaft folgt, dann sind wir irritiert und gerade in einer Partnerschaft entsteht über eine längere Zeit, in der ähnliche Situationen häufig erlebt werden, das Gefühl emotional verlassen, allein und einsam zu sein.
Die Theorie sagt, dass Menschen sich einsam fühlen, wenn eine vorhandene Beziehung nicht die gewünschte Qualität und Tiefe hat und somit eine Diskrepanz zwischen dem, was sie sich wünschen und dem, was sie tatsächlich an Beziehung erleben, besteht. Diese Diskrepanz habe ich in meiner ersten Ehe immer deutlicher gespürt. Ich habe mir Zugehörigkeit, Verbundenheit, füreinander da sein, tiefe Gespräche, in denen ich mich verletzlich zeigen und emotional auf den anderen eingehen kann, gewünscht. Doch die Wirklichkeit war eine andere. Es tat manchmal richtig weh, gemeinsam so allein zu sein.
Gefangen im goldenen Käfig der Ehe, gebunden und doch nicht zugehörig, emotional am Verhungern.
»Ich wurde gekündigt.« Lachend, aufgeregt hielt mir mein damaliger Mann seine Kündigung vor die Nase. Für mich brach eine Welt zusammen, denn es bedeutete, die Dienstwohnung verlassen zu müssen und damit einen Ort, an dem wir uns wohlgefühlt haben – und er lachte. Diese Situation ist mir besonders deutlich vor Augen geblieben und zeigt, wie sehr sich Mimik und Gestik vom Inhalt der Worte immer wieder unterschieden. Mit diesen verschiedenen Botschaften konnte ich nicht gut umgehen. Ich habe gezweifelt an mir, an der Beziehung und mich dadurch oft hilflos, einsam und verlassen gefühlt.
Gute Gründe
Heute, nach der Trennung, dem Alleinleben, neu verheiratet sein und dem Aufarbeiten der ersten Beziehung, kann ich zwei Gründe für dieses Gefühl der Einsamkeit benennen. Die Beobachtung in meiner Praxis zeigt, dass häufig aus diesen Gründen einige Menschen an Einsamkeit leiden, obwohl sie verheiratet sind oder in einer Partnerschaft leben.
Einsamkeit – als Lieblingsgefühl
Das Kommunikationsmodell der Transaktionsanalyse von Eric Berne spricht von einem sogenannten Maschen- oder Lieblingsgefühl. Es ist eine vertraute Emotion, die in der Kindheit erlernt und in vielen verschiedenen Stresssituationen erlebt wurde und sich dadurch in unser Unterbewusstsein eingeprägt hat. Im Erwachsenenalter reagieren wir in herausfordernden Situationen immer wieder mit diesem unerfreulichen Gefühl, wie Wut, Angst, Minderwertigkeit, Verlassenheit, Ohnmacht oder eben Einsamkeit. Außerdem nutzen wir gern die damit verbundenen Strategien, mit diesen Situationen umzugehen. Berne geht davon aus, dass wir dieses Maschengefühl regelrecht erzeugen bzw. provozieren, weil es so vertraut ist und wir uns darin gut auskennen, auch wenn es sich nicht gut anfühlt.
Schauen wir in eine sehr spannende, biblische Geschichte, um das noch ein wenig besser zu verstehen. Elia kämpft mit dem Volk Israel gegen die Propheten des Baals und lässt sie alle umbringen bzw. bringt sie selbst mit um (1. Könige 18). Daraufhin will Isebel ihn töten und er flieht in die Wüste. Gott fragt ihn, was er dort tut und er antwortet: »Ich habe für den HERRN, den Gott Zebaoth, geeifert; denn die Israeliten haben deinen Bund verlassen, deine Altäre zerbrochen, deine Propheten mit dem Schwert getötet und ich bin allein übriggeblieben.« (1. Könige 19,14) Was für eine verzerrte Wahrnehmung der Wirklichkeit. Elias Maschengefühl ist Verlassenheit, Einsamkeit. Und, wenn wir im 19. Kapitel weiterlesen, dann erkennen wir, dass es nur ein Gefühl ist. Denn 7000 Mann haben die Knie nicht vor Baal gebeugt und leben noch. Elia erlebt durch seine Flucht in die Wüste (Strategie) die Einsamkeit natürlich sehr, sehr deutlich. Er provoziert es selbst, indem er in die Einsamkeit flüchtet. Wäre er im Land bei den anderen geblieben, wäre er wahrscheinlich zu einem anderen Entschluss und Gefühl gekommen.
Ich selbst habe durch ein traumatisches Erlebnis mit drei Jahren dieses Maschengefühl von Verlassenheit und Einsamkeit entwickelt. Und ich habe mir jemanden an meiner Seite ausgesucht, mit dem ich genau dieses Gefühl immer und immer wieder erleben kann.
Im Kennenlernen der Transaktionsanalyse ist mir ein Licht aufgegangen und ich habe mich auf die Suche begeben und mittlerweile Hilfe bei einer guten Traumatherapeutin gefunden. Aber auch heute noch erlebe ich in manchen Situationen, die mich emotional oder zeitlich überfordern bzw. in Situationen, in denen jeder etwas Anderes möchte, dieses Gefühl von Verlassenheit und Einsamkeit. »Ich bin ganz allein. Ich muss alles allein machen und schaffen.« Es ist zum Glück nicht mehr so stark und überrollt mich nicht mehr. Ich konnte meiner Verlassenheit einen guten Platz in meinem Inneren geben und damit kann sie von außen gar nicht mehr so schnell angetriggert werden. Außerdem habe ich gute Strategien und Möglichkeiten gefunden, in diesen Situationen klar meine Überforderung zu kommunizieren und um Hilfe zu bitten. Beides sehr hilfreiche Möglichkeiten, damit das Gefühl von Einsamkeit nicht größer werden kann.
Hier stimmt das Sprichwort: »Einsamkeit ist eine Zelle, die sich nur von innen öffnen lässt.«
Es ist nur möglich von innen heraus ein anderes Erleben und damit ein anderes Gefühl zu entwickeln. Wenn du dich häufig einsam an der Seite deiner Partnerin/deines Partners fühlst, dann schau mal, welche Situationen in deiner Kindheit dich dieses Gefühl gelehrt haben. Hilfreich dafür ist oft, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, denn häufig kommen wir nicht allein an unser Unterbewusstsein.
Einsamkeit – durch emotionale Distanz
In einer Beziehung gibt es aber eben auch ein Gegenüber. Und manchmal lernen wir jemanden kennen und verlieben uns in diesen, der seine Emotionen selbst nicht gut kennt und nicht ausdrücken kann. Kognitiv ist ihm klar, welches Gefühl für bestimmte Situationen angemessen ist, aber Erleben und Vermitteln ist ihm meist schwer möglich. Das kann verschiedene Ursachen haben.
Zum einen ist es möglich, dass diese Menschen Züge der Autismusspektrumsstörung aufweisen, gerade in Bezug auf das Erleben der Gefühle. Manche haben als fortwährendes Bindungstrauma oder zumindest ungünstigen Prägungen in der Kindheit gelernt, dass Gefühle zu zeigen gefährlich ist und haben sie innerlich abgestellt. Neben solchen Menschen verhungert man am ausgestreckten Arm. Dieses Gefühl von Einsamkeit und nicht gesehen werden tritt ebenso neben Menschen auf, die narzisstische Persönlichkeitsanteile in sich tragen. Sie fokussieren ihre Aufmerksamkeit allein auf sich und nutzen andere Menschen, um selbst in einem guten Licht zu stehen.
Zu meinem eigenen Erleben habe ich mir jemanden gesucht, der emotional nicht präsent war. So stießen seine emotionale Distanz und mein Lieblingsgefühl der Verlassenheit aufeinander und ich hatte keine Chance, echte Zugehörigkeit und Verbundenheit zu erleben und fühlte mich von Tag zu Tag einsamer in der Ehe, ausgetrocknet und verhungert.
Für mich war damals eine Trennung der einzige Ausweg. Ich konnte diesen Schmerz und diese Einsamkeit, obwohl ich verheiratet war, nicht mehr aushalten. Ich brauchte den Abstand, um bei mir anzukommen und zu verstehen, was ich bei mir aufarbeiten muss, um in einer echten Beziehung mit Verbundenheit und dem Gefühl der Zugehörigkeit leben und agieren zu können. Heute nach fünf Jahren neuer Ehe erlebe ich, was es heißt, sich zugehörig zu fühlen und miteinander verbunden zu sein. Auch wenn mich meine Verlassenheit manchmal einholt, kann mir mein Mann, emotional präsent, helfen, schnell wieder in der Wirklichkeit anzukommen.
Ich möchte dir Mut machen, nicht nur darauf zu hoffen, dass es besser wird, sondern dich aktiv mit dir und deiner Partnerschaft auseinanderzusetzen. Du wirst an Lebensqualität gewinnen und deine Ehe oder Partnerschaft kann erblühen, wenn alte Muster und Reinszenierungen durchbrochen werden.